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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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gewürzt, weißes und dunkles Brot, eine Reihe verschiedener Sorten Käse und eine Schale mit wilden Beeren.
    »Gemach, lieber Freund. Esst langsam. Euer Wanst wird’s sonst nicht lange halten. Dann kotzt Ihr wie ein Knecht und tränkt die Erde mit all jenem hier.«
    Gwyn sah auf. Vor ihm stand ein Pfeilmacher.
    »Fletcher, Ihr hier?«, rief er überrascht.
    »Wie Ihr wohl seht«, entgegnete der Pfeilmacher lachend. »Als ich hörte, dass ein Mann den letzten Angriff auf die Südmauer vereitelte, ahnt ich gleich, wer jener war. Da wusste ich, dass Ihr noch am Leben seid. Glauben müsst Ihr mir, wenn ich sage, wie froh ich war. Ich schickte ein Gebet an unseren Schöpfer.«
    Gwyn war gerührt über die Fürsorge des Freundes und einstigen Reisegefährten. Gleichzeitig war er wegen des plötzlichen Wiedersehens verlegen.
    »Ihr seid in den Diensten des Herzogs, nicht wahr?«, fragte er leise.
    Fletcher nickte ernst, antwortete jedoch nichts. So schwiegen sie beide. Gwyn aß langsam weiter. Mit vollen Backen kauend, bot er dem Freund mit einer Handbewegung von all den Köstlichkeiten an. Fletcher schüttelte dankend den Kopf. Gwyn trank langsam einen Schluck Wasser. Es war frisch und angenehm kühl.
    »Mancher Freund starb. Waren wohl auch ein paar Eurer Pfeile, welche …«, sagte er leise.
    Er schluckte verlegen, denn er wollte es nicht vorwurfsvoll sagen. Fletcher verzog noch immer keine Miene, als er antwortete.
    »Ich bin Pfeilmacher. Dies ist mein Handwerk. Ich fertige Pfeile für die Jagd, für ein Turnier und für den Krieg. Nun ist Krieg zwischen meinem Brotherrn und der Stadt Bath. Die Freundschaft zwischen Euch und mir ist von eigner Sach …« Seine Stimme wurde leiser. »Ich glaubte, es wäre mehr als ein Krieg?«
    Gwyn sah ihn an, sagte aber nichts.
    Da sprach Fletcher mit leiser Stimme weiter. »De Guilbert war wie toll vor Wut, als seine Mannen sich geflüchtet. Weiß es, wohl wie die Hasen. Er ließ jeden einzeln’ Schlächter würfeln. Zweimal. Das geringste Auge auf dem Würfel ist die Eins. Wer zweimal diese Zahl, ist ohne Glück. Wie sein Mut, gereicht es wohl nicht zu mehr! So hörten wir alle seine Worte.
    Ein Mann würfelte zweimal, und hatte beide Mal die Eins. Den Mann ließ de Guilbert hängen. Als Warnung für alle.«
    In diesem Augenblick trat ein Page ein und gebot Gwyn höflich, ihm zu folgen. Als er sich erhob, hätte er Fletcher gern umarmt, so wie man den Freund umarmt, wenn man ihm Lebewohl sagt. Aber irgendetwas tief in ihm sträubte sich dagegen, und er schämte sich dafür. Sie sahen sich noch einmal lange an. Ohne weiteres Wort wandte sich Gwyn plötzlich ab und eilte aus dem Zelt.
    Als er auf den Beratungsplatz zurückkam, wartete man bereits auf ihn. Der Kirchenobere überreichte ihm feierlich ein Pergament. Es war ein Freibrief für die Stadt und der Auftrag an die Innung der Goldschmiede. In wenigen Worten wiederholte der Mann den Inhalt der Botschaft. Als er geendet hatte, verbeugte sich Gwyn und versprach, das Dokument zu überbringen. Bois de Guilbert würdigte ihn keines weiteren Blickes mehr. Wieder war es der Ritter Rupert, der ihn begleitete.
    Tief in Gedanken über die kurze Begegnung mit Fletcher versunken, schritt Gwyn seinen Weg zurück. Seinen Begleiter nahm er kaum wahr.
    Der Bischof bot der Stadt einen scheinbar fairen Vergleich an. Bath behielt alle Rechte einer freien Handelsstadt und konnte sich durch die Arbeit seiner Zünfte mit dem Auftrag freikaufen. De Guilbert erlangte durch dieses Geschenk die Gunst seines Souveräns, König Heinrich von England. Es war wohl allen gedient. Jedoch hatte die Kirche den größten Vorteil aus diesem Krieg gezogen. Denn er war ein glänzender Politiker, der Bischof von Inverness. Noch Jahrhunderte später würden kundige Geister dies erkennen können.
    Am zerstörten Südtor hatte sich eine schweigende Menschenmenge versammelt. Jetzt, nachdem Gwyn so viele wohlgenährte Kriegsknechte und Söldner gesehen hatte, fiel ihm die Schar der ausgemergelten hungrigen Bewohner von Bath besonders auf. Er ging den Weg zum Stadtplatz, dort wo der Rat der Stadt auf ihn wartete. Immer mehr Bewohner folgten ihm. Das Scharren vieler hundert Füße und ein gelegentliches Husten waren die einzigen Laute, die er hörte. Ihm schien, als wäre dies eine gespenstische Rückkehr aus einer scheinbar anderen, heilen Welt. Die Vertreter der Stadt hatten sich vor der breiten steinernen Treppe des zerstörten Ratsgebäudes versammelt. In

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