Der Goldschmied
zurückgebliebene, oft marodierende Truppen zu treffen, die nicht mehr unter dem Befehl des Herzogs standen. Kein Ritter und kein Adeliger fühlte sich für diese Gestalten verantwortlich. Sie brandschatzten, plünderten und stahlen weiter. Und da das Gesetz von Bath wieder seine Gültigkeit hatte, waren jegliche Zeugen lästig. All die Erschlagenen, Erstochenen waren oft grässlich zugerichtet worden. Und böse Stimmen verwünschten erneut de Guilbert und seine mordlustigen Söldner. Gwyn hörte von diesen Schreckensmeldungen. Doch er und alle, die an dem Geschenk des Herzogs arbeiteten, taten dies ohne Unterlass. Erst wenn sich Bath vollständig freigekauft hatte, war die Stadt wirklich frei und bekam ihren Titel als freie Stadt zurück. Und erst dann würden auch andere Städte mit Bath wieder Handel treiben.
Aber es gab etwas, was Gwyns Gedanken manchmal träumen ließ.
Agnes Borden. Die Frau des Meisters.
***
Die ganze Woche über hatte sich Randolph Borden nur kurz in der Werkstatt sehen lassen. Die letzten Tage übertrug er die Aufsicht Gwyn, und der junge Faber musste alle Anweisungen im Schlafgemach des Borden einholen.
Denn der Meister war krank.
Niemand konnte sagen, was ihm fehlte. Er litt unter hohem Fieber, das der Medicus nur mühsam dämpfen konnte. Borden fiel das Haar aus. Er wurde schwächer von Tag zu Tag. Der einst so stattliche Mann verfiel zusehends. Seine Hände konnten längst nicht mehr arbeiten, sein Verstand war manchmal verwirrt, und nur in wenigen lichten Momenten konnte er noch ein paar genaue Anweisungen geben.
»Der Meister wünscht Euch zu sehen, Faber!«
Kathleen blieb neben der Tafel stehen.
Gwyn schob den letzten Bissen Fleisch auf dem Tellerbrot vor sich her, unschlüssig, ob er es noch essen sollte oder nicht. Wäre es Hunger, dann müsste er es wohl tun. Seit dem Ende des Krieges verspürte er immer Hunger. Er glaubte manchmal, nicht richtig satt zu werden. Und nie wieder, so hatte er es sich heimlich gelobt, wollte er dieses elende Gefühl erleben, das er bereits als Kind so oft verspürt hatte: jene nagenden Schmerzen im Magen, die stärker und stärker wurden, ihn teilnahmslos werden ließen, bis ein Stück Brot, mit Heißhunger verschlungen, das böse Grimmen linderte.
Er sah auf und blickte für einen Augenblick auf das Ende des Tisches, dort wo sonst der Platz des Meisters war. Nun saß dort Agnes, als seine Vertreterin, zu Tisch und im Haus. Sie lächelte ihn für einen Moment an, so wie sie es immer tat. Sie wusste, was sie bei ihm auslöste. Dieses seltsame Verlangen nach Berührung und Liebkosung, nach einer Zärtlichkeit, die ihm allein bei dem Gedanken daran das Herz schneller schlagen ließ.
Er erhob sich langsam. Niemand aus dem übrigen Gesinde wagte den Blick zu heben. Es war nicht sicher, ob einer von ihnen von der heimlichen Buhlschaft wusste. Aber selbst wenn, so hatte Agnes Gwyns Befürchtungen zerstreut, würde es keiner wagen, darüber zu sprechen. Denn jeder, der unter dem sicheren Dach des Borden lebte, hatte seinen Platz zu schlafen und genug zu essen. Warum dies aufs Spiel setzen, nur damit das Maul gewetzt war?
Gwyn betrat die kleine Schlafkammer des Meisters. Es roch nach Schweiß, Kräutern und nach Urin. Der Meister schien es zu hören, dass sein bester Geselle eingetreten war.
»Kommt näher, Gwyn.«
Die Stimme klang müde, aber noch immer fest, so wie man sie in diesem Hause gewohnt war.
Gwyn trat an das breite Bett. Er erkannte den einst stattlichen Mann kaum wieder. Schweißüberströmt, mit dünnem, grauem Haar und den ausgemergelten Zügen eines Menschen, der langsam zerfällt, bis man sich an dessen gesunden Leib kaum mehr erinnert. Gwyn schauderte bei diesem Anblick, und er schämte sich bei dem Gedanken, wie er diesen Mann Nacht für Nacht mit dessen Frau betrog.
»Wie weit seid Ihr?«, fragte der Meister.
Gwyn berichtete von den großen Fortschritten, die jeden Tag gemacht wurden. Wie die Täschner und Gürtler sich bereits einfanden, um das prächtige Tafelservice in große, lederne Behälter zu verstauen, die sie mit derselben Eile anfertigten wie die Faber ihre wertvollen Schalen und Teller.
Borden hörte aufmerksam zu und schwieg nach den genauen Ausführungen.
»Ich bin guter Dinge. Der Medicus sagt, dass Gevatter Tod wohl in dieser Kammer zugegen ist. Jedoch, er wartet. Sein Hauch ist zu schwach. Gott prüft mich nur, aber er hat mir kein Zeichen gesandt, dass er mich rufen wird. Werd meine Haare büßen und auch
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