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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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respektvollem Abstand blieb die Menge stehen. Gwyn entdeckte Meister Borden vor sich in der ersten Reihe. Ihm übergab er das Pergament. Er entrollte das Schriftstück, las es und reichte es an einen der Ratsherren weiter. Einer nach dem anderen las das Schriftstück und gab das Dokument an all diejenigen weiter, die des Lesens mächtig waren.
    Gwyn stand stumm ‒ so wie die Menge ‒ und wartete.
    Da hob der Lord Major den Arm.
    »Höret, Bürger von Bath!
    Die Faber sollen fertigen ein Stück von großer Pracht. Der Wert dafür seien 500 englische Guineas. Damit kauft Bath sich frei. Tun wir dies, ist die Belagerung zu Ende. Wir werden den Handel annehmen.«
    Jetzt brandete plötzlich Jubel auf. Alles schrie und johlte durcheinander. Die Menschen fielen sich in die Arme. Von allen Seiten wurde Gwyn gedrückt, umarmt und berührt. Nun begannen die wenigen, übriggebliebenen Kirchenglocken von Bath zu läuten.
    So endete der Krieg zwischen Bois de Guilbert und der freien Stadt Bath.
    ***
    Randolph Borden selbst war es, der im Rat der Zünfte den Vorschlag machte, den gewaltigen Auftrag in seinem Hause zu fertigen. Dies galt als noble Geste.
    Viele Goldschmiede hatten während der Kriegshandlung Gesellen verloren. Von den vielen helfenden Händen, den Weinsteinsiedern, den Ausreibern wie auch den Modelleuren und den Drahtflechtern waren ebenfalls nur wenige aus den Kämpfen zurückgekehrt. Die meisten Werkstätten waren zerstört. Es fehlte an allem: Heizmaterial für die Schmelzöfen, edlen Metallen wie auch reines Eisen, um daraus neue Werkzeuge schmieden zu können.
    Borden ließ fremde Handwerker bei sich arbeiten. Seine große Werkstatt konnte noch Männer gebrauchen. Außerdem war sein Haus und alles, was dazugehörte, wie durch ein Wunder von den Brandgeschossen der Katapulte verschont geblieben.
    Die Vertreter der Zunft hatten beschlossen, ein silbernes Tafelgedeck anzufertigen, welches für 100 Personen zur Bewirtung ausreichen sollte. Keine leichte Aufgabe.
    Große Mengen Material mussten beschafft und Bleche für all die Schalen und Platten getrieben werden. So fanden sich bald Dutzende von Gold- und Silberschmieden in den Werkstätten des Borden ein, um an dem Tafelservice für den ältesten Sohn König Heinrichs und der zu erwartenden Hochzeitsgesellschaft zu arbeiten. Dazu kamen all die vielen Punzer und Formstecher, Knechte, die Holzkohle verfeuerten, Gesellen, die Material trieben, Schmelzer, welche Gold und Silber schmolzen, um sie sogleich in Barren zu gießen.
    Borden wollte, dass ihm sein bester Goldschmied als persönlicher Helfer zur Seite stand. Damit arbeitete Gwyn immer gerade dort, wo er konnte und wann immer seine Hilfe gebraucht wurde. Dabei war er selbst noch längst kein Meister. Trotzdem gab es keinen Moment, wo er zauderte. Er war wie verwachsen mit seiner Passion als Faber. Bald war er neben dem Meister ungefragt der wichtigste Mann im Hause.
    Bereits nach einigen Wochen waren die ersten Sets fertig. Ein jedes umfasste eine große Schale, flach getrieben und mit erhöhtem Rand. Dazu ein Becher aus Silber mit goldenem Rand. Vollständig war jedes Gedeck durch ein feines Fleischmesser und einen Löffel aus Horn, der im selben Stil jeweils einen Griff aus schwerem Silber und Gold erhielt. Zu jedem Dutzend wurden noch eine Anzahl Trinkkannen und Schalen, große Tabletts und feine Humpen aus Silber und Gold gefertigt. Jedes Stück war mit dem Wappen der englischen Krone geschmückt.
    Die ersten Faber verließen das Haus des Borden nun, um sich dem Neuaufbau ihrer eigenen Werkstätten in Bath zu widmen. Ein Teil der freien Handwerker, welche über keine eigene Werkstatt verfügten, arbeiteten unweit des Domes. Überall in der Stadt wurde ausgebessert und gebaut. Die Schäden in der einst blühenden Stadt waren schwer. Es würde lange dauern, bis Bath zu alter Größe zurückgefunden hatte. Zudem hungerten viele Bewohner von Bath weiter. Die rings um die Stadtmauern gelegenen Weiden und Felder konnten diesen Herbst nicht abgeerntet werden. De Guilberts Männer hatten alle Getreidefelder niedergebrannt. Was sie verschont hatten, trampelten die Heerscharen von Pferden und Maultieren nieder, die schweres Kriegsgerät und die Ausrüstung der abziehenden Ritter schleppten. Es dauerte viele Tage, bis auch der letzte Söldner und der letzte Waffenknecht das einstmalige Schlachtfeld verlassen hatte. Wer jetzt loszog, um nach etwas Essbarem zu suchen, musste immer damit rechnen, auf

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