Der Goldschmied
manches Gran Fett. Aber bald werd ich meinem Hause wieder vorstehn. Ich will das Werk der Zunft so beenden, wie es mir aufgetragen vom Rat der Zehn.«
Gwyn nickte heftig, und er freute sich über diese Worte.
»Werd nicht vergessen«, sprach Randolph Borden weiter, »wie Ihr mein Haus habt unterstützt, wie Ihr darauf geachtet, dass alles so werde, wie ich es gewünscht. Wird’s nicht vergessen. Bei meiner Ehr als Faber und als Meister. Es ist wohl an der Zeit, dass Ihr Euch ein Weib nehmt.«
Gwyn hielt bei diesen Worten den Atem an.
Was wusste der Mann?
Für einen Moment überschlugen sich seine Gedanken fieberhaft, und er ließ die letzten Wochen vorbeiziehen, so schnell er es vermochte. Hatte er bei seinen nächtlichen Besuchen doch nicht sorgsam genug darauf geachtet, dass ihn kein Mitglied des Hauses bei seinem heimlichen Tun beobachtete?
Borden lag auf seinem Bett und atmete heftig. Das Sprechen hatte ihn angestrengt. Erst nach einer Weile fuhr er fort: »Sind genügend Frauenzimmer, die einen so stattlichen Faber wie Euch sich wünschen. Freit ein Weib. Prächtig und voller Freude soll Eure Hochzeit sein. Möcht, dass Eure Gäste und Ihr selbst feiert, wenigstens drei Tage lang. Und nichts soll fehlen. Bin ich Euch schuldig. Lasst mich Euren besonderen Tag richten.«
Borden suchte Gwyns Hand. Er ergriff sie und drückte sie. Gwyn erschrak, wie müde und kraftlos diese jetzt war.
Aber jetzt lächelte der Meister sogar ein wenig.
»Eure Hand ist kalt wie ein Fisch, Gwyn. Geht Euch wärmen.«
»Ja, Meister«, flüsterte Gwyn gehorsam.
Wenige Augenblicke später war Borden eingeschlafen, und Gwyn verließ die Schlafkammer.
Eine Woche war seit jener stillen Unterredung vergangen. Gwyn hatte jeden Tag unermüdlich bis in die tiefe Nacht hinein in der Werkstatt gearbeitet. Er hatte die anderen Faber unterstützt, sie angetrieben und gleichzeitig selbst an Entwürfen und mancher Ausführung gearbeitet. Sein Ruf war längst so weit gereift, dass es wohl nur noch eine Frage der Zeit war, bis man ihn einen Meister nennen würde. Schon wurden Gerüchte laut, dass der Rat der Zehn, die Vereinigung der Stadt Bath, ihn mit jenem Titel ehren wollte. Dann wäre er der jüngste Meister von Britannien, vielleicht sogar der jüngste Faber der christlichen Welt.
Er ertappte sich seit einigen Tagen immer wieder einmal bei diesem Gedanken und spürte, wie ihm diese Vorstellung von Mal zu Mal angenehmer erschien. Diesen Grad an Eitelkeit hatte er bislang an sich selbst nie bemerkt. Und nun schmeichelte es ihm, bekannt und begehrt zu sein.
John, einer der Lehrknaben, stand plötzlich vor ihm. Der Junge schluchzte, und sein schmaler Körper schüttelte sich dabei.
»Was ist dir?«, fragte Gwyn.
»Der Meister ist tot!«
Gwyn blickte einen langen Moment auf den weinenden Jungen. Dann schloss er die Augen und sog langsam die Luft ein. Sie schmeckte nach Rauch und nach heißem Metall.
Schwer erhob er sich, band sich den ledernen Schurz ab und faltete ihn so vorsichtig, dass kein noch so winziges Stück des kostbaren Gold- und Silberstaubes auf den Boden fallen konnte. Vergeudung war dem Faber ein Greuel.
»Betet, Gefährten betet! Der Meister ist tot. Betet!«, sagte er ruhig.
Ringsum begannen die übrigen Lehrlinge und Gesellen, ihre Arbeit einzustellen. Stumm und betroffen, andere wiederum in Tränen ausbrechend, knieten sie nieder, einer nach dem anderen, und begannen zu beten.
Gwyn ging erst langsam, lief dann immer schneller, bis er zum Schluss rannte, die Stufen hinauf, am Ende des großen Ganges, dort wo die Türe zu jener kleinen Kammer war, die Randolph Borden in den letzten Wochen nicht mehr verlassen hatte. Gwyn roch den Duft von Weihrauch und den Zimt, als er eintrat. Borden liebte diesen feinen Duft und gönnte sich jenes seltene Gewürz wie teuren Wein. Für einen Moment glaubte Gwyn, auch jenen ekelhaften Geruch nach erbrochenem Schleim zu riechen, doch es war wohl nur ein Rest Erinnerung, der ihm diesen Streich spielte. Der kleine Raum ward nur durch ein paar Kerzen erhellt.
Borden lag auf dem Rücken, nackt, kein Tuch, das seinen schmal gewordenen, ausgemergelten Körper bedeckte. Zwei Mönche machten sich an dem Toten zu schaffen. Beide hatten die Ärmel ihrer Kutten hochgeschoben. Einer der frommen Männer wusch den Leib des Toten. Gwyn bemerkte eine Schale voll Wasser, ein Bündel Tücher, leinene Binden und dicke Lagen frisch gewaschene, ungekämmte Wolle. Als die beiden Mönche Gwyn bemerkten,
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