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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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schlug einer ein Kreuz zum Gruß. Der andere nickte.
    Gwyn trat an das Bett und betrachtete das Gesicht des Meisters. Jetzt, im letzten Schlaf, wirkte es friedlich. Er sah dieses Gesicht, und er erinnerte sich, wie es selten, dafür aber herzlich lachen konnte. Immer, wenn Borden glücklich war, im Kreise seiner Helfer, wenn er von dem frischen Brot kostete und einem Krug Bier zusprach. Wenn seine Augen stolz glühten, dann, wenn ein Auftrag fertig war und an denjenen überreicht wurde, welcher Geld und Wunsch zu dieser Arbeit gegeben.
    Noch ließ das Antlitz genug ahnen von dem einstmaligen Stolz des Borden. Die beiden Mönche begannen mit der Waschung des Toten.
    »Bruder Magnus geht mir zur Hand«, erklärte einer der beiden mit angenehm sanfter Stimme.
    »Wir waschen und salben ihn, bereiten seine Hülle vor, denn seine Seel ist längst bei unser aller Schöpfer.«
    Gwyn starrte auf den Toten. Er nickte, statt einer Antwort, nur mit dem Kopf.
    »Er wollt nicht gehen. Nicht bevor wir fertig wären mit unserer Arbeit für Heinrichs Sohn«, sagte er plötzlich düster.
    »Wer geht und wer nicht, entscheidet einzig Er, der Allmächtige selbst«, antwortete der Mönch milde und wies mit einer Hand gen Himmel.
    Er rieb den Leichnam mit einer hellen Flüssigkeit ab. Dies tat er mit ganz besonderer Sorgfalt. Der Faber erkannte, dass der fromme Mann dies nicht zum ersten Mal tat. Es roch plötzlich zart nach Wein in der kleinen Schlafkammer.
    »Er wollt nicht gehn!«
    Gwyns Stimme klang ein wenig wie der ungeduldige Trotz eines Kindes, das etwas nicht bekommen, was es sich lang gewünscht.
    Keiner der beiden Mönche sagte ein Wort. Beide wuschen den Leib des Toten. Gwyn sah ihnen schweigend zu, unfähig, sich zu rühren oder gar zu trauern. Der Jüngere der beiden Mönche tränkte ein Wollbüschel mit Öl und knetete den Ballen.
    »… nicht gehen … jetzt noch nicht …«
    Gwyn hauchte die Worte fast, denn sie kamen ihm nur mühsam über die Lippen.
    Der Mönch öffnete den Mund des Toten und schob den Wollballen hinein. Dann schlang er ein feines Band um das Haupt. So blieb der Mund geschlossen, und nichts störte den friedlichen Ausdruck des verstorbenen Meisters.
    »Er wollt noch nicht gehn …«, schrie Gwyn laut.
    Und er spürte, wie erneut dies üble Schluchzen seine Kehle heraufkroch. So wie an jenem Tag, als er den Brief und letzten Willen seines Lehrherrn Peter Fallen las und wusste, er kommt nie mehr zurück.
    ***
    »Was ist mit Euch, mein Lieber? Warum verweigert Ihr Euch mir?«, fragte sie freundlich.
    »Nennt mich nicht Lieber.«
    »Ist Euch wohl?«, fragte sie.
    »Wie einem wohl sein kann in all der Zeit.«
    »Ihr seid ein wenig müde, nicht wahr?«
    Gwyn antwortete nicht, sondern starrte an ihr vorbei wie in Gedanken. Agnes wandte sich um und schritt an den prächtigen Tisch, den Borden als Arbeitsplatz benutzt hatte. Es war hier in diesem Raum gewesen, an jenem Tag, als Gwyn sich dem Meister vorstellte, um als Geselle zu bleiben. Es war ihm, als wäre es erst vor kurzer Zeit passiert. Doch lag dieser Tag bereits ein Jahr zurück.
    Sie hatte sich in einen prächtigen Sessel gesetzt. Vor ihr lag eine ganze Reihe an Pergamenten. Gwyn wusste, dass Agnes lesen konnte. Sie schrieb sogar Verse und las englische und lateinische Schrift. Dies war ungewöhnlich. Niemand wollte ein Weib bilden.
    »Habt Ihr Euch nie gefragt, wohin ich ging während des Krieges?«, fragte sie, ohne ihn anzusehen.
    »Ihr habt es nicht gesagt, und ich wagte nicht, zu fragen.«
    »Warum?«
    »Neugier ist mir fremd!«
    Sie lachte, und es klang hell und gut gelaunt. Dann antwortete sie, und ihre Stimme klang sanft. »Ich war in Caerphilly. Niemals ertragen hätt ich es, wenn man mir Euch gebracht, die Glieder gebrochen, … oder gar …« Sie seufzte tief. »Der Hof dort ist prächtig und sicher. Gilbert de Clare wird mir 20 Knechte dalassen, wenn er das Haus verlässt und Caerphilly Castle bezieht. Er versprach es mir auf seine Ehre.«
    »Was gewährtet Ihr de Clare für diese Gunst?«
    »Gewähren …?« Sie sah auf, und Gwyn sah zwei winzige rote Flecken auf ihrem erstaunten Gesicht.
    »Durfte de Clare Euch dafür besteigen, so wie ich es durfte?«, fragte Gwyn böse. »Eure Brüste liebkosen, Euren Leib mit seinem Leib bedecken? Durfte er auch …«
    »Genug!«, befahl sie. »… genug …«
    Er sah, dass sie zitterte und ihre Fäuste ballte, bis die Knöchel weiß und blutleer wurden.
    Sie sah ihn an, wütend, und Gwyn

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