Der Goldschmied
unbeschadet überstanden. Der Mann griff danach und begann plötzlich, mit den Tränen zu kämpfen.
»Herr, müsst mir glauben, ich fand sie im Wald, auf dem Boden. Ja, auf dem Boden liegend, sah ich’s blitzen, ganz hell. Da hob ich’s auf.«
»Du lügst«, sagte der Köhler grob, aber es klang nicht sehr überzeugend.
Statt einer Antwort schüttelte der Mann nur seinen Kopf und weinte. Gwyn fror, und er sehnte sich nach einem warmen Eck drinnen in der Schenke. Er trat an den Köhler und fasste ihn am Arm.
»Kommt, William, es ist nicht der Ort und nicht die Zeit, zu prüfen, ob er Schuld hat oder nicht. Wir übergeben die Sache dem Büttel, und er soll weiter entscheiden.«
Sween überlegte einen Moment lang, bevor er langsam den Arm mit dem Beil sinken ließ. Dann nickte er nun wie zum Einverständnis und ließ es geschehen, dass der Wirt den Mann nahm und in die Schenke zurückführte. Dort sperrten zwei Knechte den Mann in ein Kellerloch, wo er bis zum nächsten Morgen bleiben sollte. Gwyn hatte nur ein trockenes Hemd dabei, das er sich überzog. Dann rückte er an den Kamin, den der Wirt vorsorglich wieder entzündet hatte. Langsam wurden er und auch Sween wieder trocken, und es fror ihn nicht mehr.
Die übrigen Gäste rollten sich flüsternd in ihre Decken und Felle, und bald zeigte lautes Schnarchen aus allen Ecken, dass die Menschen wieder eingeschlafen waren. Endlich schlief auch Gwyn wieder ein.
Der Wirt schickte am frühen Morgen nach einem Richter. Dem Boten, einem berittenen Pagen mit einem jungen und schnellen Pferd, versprach er fünf Schillinge für den Dienst. Keine geringe Summe, und so ritt der Mann los, kaum dass der Tag begonnen hatte. Es waren höchstens sechs Meilen bis in die Nähe von Malmesbury, der Burg von Lord Towe. Die Festung war noch vor wenigen Jahren eine kleine Motte gewesen, ein befestigtes Wehrgehöft. Unter den fleißigen Händen der Umgegend wuchs eine große und stark befestigte Burg heran. Der Adel war reich genug, sich solche Behausungen zu fertigen. Mit Gerste und mit Wolle ließ sich hier auch als Ritter ein feines Geld verdienen. Wie Lord Towe ging es vielen Lehnsherren in diesem Teil des Landes. Sie hatten Kriegsdienste für den König geleistet oder waren bis ins Heilige Land gekommen. Von Lord Towe erzählte man sich, dass er Knechte und Kriegsgerät für teueres Geld verliehen hatte. Sein Reichtum reichte ihm, Malmesbury jetzt zu einer mächtigen Burg auszubauen, die Mauern zu befestigen, einen tiefen Graben zu schanzen, Türme und Wehranlagen mit Maschikulis und Pechnasen zu versehen und die Burg mit all dem auszustatten, was die französischen und die deutschen Ritter in diesen Tagen mehr und mehr vormachten.
Gwyn und Sween hatten den Vormittag unweit der Schenke verbracht. Sie saßen wartend im Gras. Sween blieb einsilbig und mürrisch. Er blickte bei jedem Fuhrwerk und bei jedem Reittier auf, das die Straße herunterkam. Gegen Mittag kehrte der ausgesandte Bote mit drei weiteren Männern zu Pferd zurück. Ihr Anführer und Sprecher war Herr Wilhelm von Cluny, der Haushofmeister des Lords, der, begleitet von zwei Waffenknechten, die Untersuchung übernahm. Wilhelm von Cluny, so erfuhr es Gwyn von dem Wirt, stammte aus jener berühmten Familie der von Cluny. Hugo von Cluny war es einst gewesen, der Papst Gregor den VII. beschwor, König Heinrich dem IV. nach seinem Gang zu Canossa Absolution und Obdach zu gewähren. Der Haushofmeister ließ sich alle Beteiligten vorstellen und dann die Sache erzählen. Schweigend hörte er sich alles an und forderte dann den Wirt auf, seinen Knechten den Weg zu dem Verschlag zu zeigen und Jack, den Beklagten zu befreien. Die Knechte holten den Eingeschlossenen herbei. Der Mann war beim Anblick der Neuankömmlinge voller Furcht und beteuerte immer wieder seine Unschuld. Der Wirt jedoch war mitleidig und gab dem Mann einen Kanten Brot und ein Stückchen Speck, ohne dafür etwas zu berechnen. Herr von Cluny verlangte, dass Gwyn und Sween ihn auf die Burg begleiten sollten. Da beide mit der Tat zu tun hatten, mussten sie sich fügen. Ein wahrscheinlicher Zeuge oder sonst Beteiligter an einem Verbrechen, der sich der Nachforschung durch die Obrigkeit entzog, machte sich eines Verbrechens schuldig und konnte unter Umständen genauso schwer bestraft werden wie der wahre Schuldige. Dem Verdächtigen band einer der Knechte ein Seil um den Hals und band das Ende am Sattel seines Maultieres fest. Gwyn und Sween folgten den Reitern zu
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