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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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ausgeschlagene Zähne oder gar ein lädiertes Kreuz nach sich ziehen konnten. Dann aber merkte er es sogleich. William war fort. Der Platz, an dem er gelegen hatte, war leer. Sein karges Gepäck war noch da. Als Gwyn mit seiner Hand nach dem Platz tastete, spürte er noch etwas Wärme auf dem Boden. Lange war der Mann noch nicht fort. Aber wo konnte er sein?
    Angesichts der Biermenge, welche er am Abend zuvor getrunken hatte, war es wahrscheinlich, dass er sich draußen ein wenig erleichterte. Das war nicht unbedingt üblich. Die Schenke roch stark nach allen Entleerungen der hier wild durcheinander schlafenden und schnarchenden Menschen. Gwyn wusste, dass ein Schankwirt, war er besonders reinlich, Mägde und Knechte anwies, am frühen Morgen mit großen Wasserbütten alles hinauszuschwemmen. Eldrige in London benutzte in seiner Schenke immer einen langen Reisigbesen und tat dies bald jeden Tag, als er merkte, dass auch immer mehr feinere Herrschaften seine Schenke besuchten. Gwyn konnte sich nicht daran erinnern, dass es dort je stark gerochen hatte. Und doch, dieser Geruch blieb, denn er gehörte zu den Menschen wie ihre Sprache, ihr Lachen und ihr Weinen. Und niemand störte sich daran. Gwyn sah sich nach dem Mann mit jener verräterischen Kette um. Aber auch ihn konnte er nirgends entdecken. Es war zwar ziemlich dämmrig, aber dort drüben, nahe dem Aufgang unter das Dach, war er gelegen.
    Nun aber war der Platz dort frei.
    Gwyn schlich so leise wie möglich zwischen den Reihen der Schläfer hindurch zur Türe. Diese war mit einem groben Riegel gesichert und führte hinter das Haus. Bei der Ankunft hatte Gwyn den Bach entdeckt, der direkt hinter dem Haus vorbeifloss. Gwyn öffnete leise. Draußen war es still. Außer dem Plätschern des Wasserlaufes und den leisen Geräuschen der Nacht war kein Laut zu hören. Gwyn versuchte, in der fahlen Dämmerung der Dunkelheit etwas zu erkennen. Als sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten, war jedoch nichts zu sehen. Seine Blase drückte ihn noch ärger, und weiter wollte er nicht gehen. Hier, an der Rückseite des Hauses, war es trotz dem fahlen Zwielicht stockfinster. Und niemand mit klarem Verstand riskierte, sich seinen Hals in der Dunkelheit zu brechen, nur um seinem dringenden Bedürfnis zu folgen. Also urinierte er in einem hohen Bogen vor sich in die Finsternis. Damit fertig, fror er ein wenig, und müde war er außerdem. Er beschloss, in der Schenke nach einem Fuder Stroh zu suchen, das er als Schlafstatt anstelle des kalten Lehmbodens nutzen konnte. Da hörte er plötzlich ein Schnaufen. So, als ob ein Mensch rasch vor irgendetwas flüchtete. Gwyn tastete mit den Armen hinter sich, bis er die Rückwand der Schenke spürte. Immer über den groben Kalk tastend, folgt er der Mauer bis an das Eck des Hauses. Hier war es ein wenig heller.
    Ein dünner Steg führte an dieser Stelle über den Bach. Mit schmalen Holzplanken belegt, kaum breiter, als zwei Männer nebeneinandergehen können, diente dieser Übergang nur denjenigen, die schnell trockenen Fußes den Wasserlauf überqueren wollten. An dieser Stelle staute sich das Wasser an einer breiten und tieferen Stelle. Das wenige Licht wurde von dem Wasser zurückgeworfen wie von einem Spiegel. Gwyn sah jetzt die Gestalt, drüben von der Straße kommend. Der Mann, um einen solchen handelte es sich zweifelsohne, machte sich nicht die Mühe, dem Schlamm auf der Mitte der Weggabelung auszuweichen. Gwyn erkannte, wie er durch den Schmutz watete, dabei mit einem heftigen Fluch stürzte und sich wieder aufraffte. Der Mann rannte weiter auf den Steg zu. Er betrat die Planken, blieb dann stehen, um ein wenig zu verschnaufen, und wollte dann weiterrennen. In dem Augenblick war der Schatten blitzschnell neben dem Mann und packte ihn. Durch die Wucht und die Überraschung konnte der andere nur noch ein überraschtes Geräusch von sich geben, und dann stürzte er kopfüber in den Bach. Gwyn erkannte, dass eine andere Gestalt unter dem Steg, in der schützenden Dunkelheit gewartet hatte, und als der Unbekannte dort zurückkam, diesen am Fußgelenk gepackt und umgerissen. Gwyn wusste, wer dem Mann dort aufgelauert hatte.
    »Sween!«, rief er nicht zu laut.
    Diese Vorsicht war unnötig, denn beide Männer rangen dort in dem Wasser aufs heftigste miteinander. Das Wasser spritzte und schäumte. Sonst war dazu nur das halberstickte Keuchen zweier Männer zu hören, die auf Leben und Tod in dem brusttiefen Wasser miteinander

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