Der Goldschmied
kämpften. Gwyn eilte auf die kleine Brücke und spürte, wie sehr die Bohlen dort bei jedem Tritt mitschwangen. Jetzt kam der Mond ein klein wenig hervor und beleuchtete die gespenstische Szenerie. Gwyn glaubte, Sween erkennen zu können. Der Köhler war durch den Hass stark genug. Der andere wehrte sich nach Kräften, wohl aber aus lauter Todesangst. Jetzt erkannte Gwyn, wie der Köhler den anderen Mann an der Kehle gepackt hatte.
»Hundsfott, elender, du Dreck … zerdrück dich wie eine Laus. Hast meine Judith bestiegen, duuu …«
Er drückte den Kopf des Mannes unter Wasser.
»Sween, haltet ein!«, rief Gwyn über den Steg gebeugt, hinunter in die Dunkelheit des Wasser.
Der Köhler schien ihn nicht zu hören. Er riss stattdessen den Kopf seines Opfers in die Höhe und zerrte ihn ein wenig zur Seite. Der Köhler hatte sichtlich Schwierigkeiten, sich in dem Bach so aufrecht zu stellen, ohne dass er unterging. Trotzdem schien er mit einem Mal über gewaltige Kraft zu verfügen.
»Sollst krepieren wie mein Hund, Bastard, du!«, schrie der Köhler nun und zwang den Kopf des Mannes erneut unter Wasser.
»William, haltet ein!«, schrie Gwyn jetzt laut, gleichgültig darüber, ob man ihren Aufruhr nicht längst in der Schenke gehört hatte. Und so war es auch. Als Gwyn aufsah, bemerkte er Fackeln, die näher kamen. Laute Stimmen wollten die Ursache des Lärms erfahren. Sicherlich war es der Wirt selbst, der nach dem Rechten sehen wollte.
»Will, um Christi willen, lasst ihn aus! Lasst den Mann aus!«, rief Gwyn noch einmal. »Das ist ein Fall für die Obrigkeit!«
Aber der Köhler war wie in Trance. Er zwang den Kopf des Mannes erneut unter Wasser. Gwyn wusste, der Mann würde den anderen dort töten. Irgendetwas in ihm zwang ihn, nicht mehr länger darüber nachzudenken, ob dies gerecht sei oder nicht. Mit einem Satz sprang Gwyn hinunter in den Bachlauf. Er hatte angenommen, gleich wieder Boden unter den Füßen zu verspüren. Doch diese Stelle war tiefer, als er vermutet hatte, und so versank er für einen Moment. Das Wasser war eiskalt. Er ruderte an die Wasseroberfläche, und dabei spürten seine Fußspitzen den steinigen Grund. Er machte eine Schwimmbewegung hinüber zu den beiden Kämpfern und war neben Sween.
»Lasst ihn aus, so lasst ihn doch aus!», keuchte Gwyn.
Er zerrte an dem Arm des Köhlers, der den Kopf des Mannes noch immer unter das Wasser drückte. Es gelang ihm jedoch nicht. Außerdem hatten sich seine Kleider so voll eisiges Wasser gesogen, dass er einen Moment lang glaubte, hier nicht länger aushalten zu können. Sween drehte den Kopf herum und erkannte erst jetzt den Faber. Er schüttelte den Kopf, und Gwyn glaubte, die tiefe Verzweiflung im Gesicht des Mannes dort zu erkennen, der diese Rache benutzte, um seiner tiefen Trauer, seinem Hass und seiner Wut ein wenig Herr zu werden. Gwyn dauerte der Gefährte, aber er wusste, auf Mord stand eine zu schwere Strafe. Auch wenn ein freier Mann sich für begangenes Unrecht rächte. Die Obrigkeit achtete streng darauf, dass niemand sonst das Privileg des Richtens übernehmen konnte als ebendiese Obrigkeit selbst. Gwyn schlug dem Köhler mit der Faust über die Augenbraue. Der dumpfe Schlag überraschte ihn selbst. Der Hieb war fest genug gewesen, dass der Köhler halbwegs zur Besinnung kam und überrascht sein Opfer losließ. Gwyn packte den Mann, und weil der nicht gleich hochkam, riss er ihn an den Haaren aus dem Wasser. Der Mann holte Luft, und dann hustete er heftig, unterbrochen von wilden Lauten der Angst. Eine Schar von Leuten war inzwischen am Bachlauf versammelt. Einige trugen Fackeln oder Öllichter in der Hand, so wie sie Reisende gerne benutzen. Das Wasser schien auf einmal wie ein Spiegel, voll mit lauter kleinen, hüpfenden Lichtern. Gwyn zerrte den Mann ans Ufer, wo das Wasser kaum noch die Steine umspülte. Erst jetzt merkte er, wie sehr ihn das kurze Ringen in dem eisigen Wasser erschöpft hatte und wie es ihn fror.
»Es ist Jack!«
»Sie haben Jack Gewalt getan!«
»Wollten ihn ersäufen!«
Stimmen riefen laut durcheinander.
»Hundsfötte.«
»Schlagt sie tot wie tolle Hunde!«, schrien weitere Stimmen.
Gwyn richtete sich auf. Das mussten die Gefährten des Mannes sein, den sie gerade bei seinem Namen, Jack, genannt hatten. Gwyn spürte die gefährliche Stimmung.
»So hört doch«, ächzte er mühsam, »der Mann dort hat das Weib meines Gefährten getötet.«
Die Leute beruhigten sich zwar nicht, aber die Rufe
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