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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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musste er sich als rechte Hand im Hause seines Lehnsherrn verdingen, und dies obwohl er leicht selbst so ein Amt bekleiden könnte.
    Die Befragung dauerte lang. Nach jeder Frage, welche Wilhelm von Cluny an den sichtlich erschöpften Jack richtete, wandte er sich nach seinem Herrn Lord Towe um und wartete geduldig auf eine Reaktion. Meist saß der Mann nur da und kaute aus vollen Backen. Gwyn beobachtete, wie der Burgherr hintereinander zwei ganze Hühner verspeiste und dabei immer wieder aus einem Kelch nachspülte. Ansonsten schien der Mann diese Befragung als eine willkommene Abwechslung zu dem steten Einerlei auf der Burg zu sehen. So ließ er sich Zeit. Nur ab und zu gestattete er, dass sein Sohn sich zu ihm herüberbeugte und ihm ins Ohr flüsterte. Dann lächelte der Mann und nickte langsam mit dem Kopf. Ab und zu schnippte er mit den Fingern. Nach dieser Geste beugte sich immer ein junger, gutgekleideter Mann nach vorn, der eher unscheinbar neben dem Stuhl des Adeligen stand. Dieser richtete dann Fragen und Worte an den Haushofmeister, der sich jedes Wort geduldig anhörte, um die Befragung dann fortzusetzen.
    Jack wiederholte noch einmal seine Version. Wie er zusammen mit den Kameraden von Bristol gekommen sei. Sie hätten einen Tag zuvor Schweine in die Stadt getrieben. Die Tiere hätten sie dort einem Viehhändler übergeben. Nun wollten sie zurück in die Gegend um Swindon, um neue Tiere zu treiben.
    »Warum nehmt ihr immer diesen Weg?«, wollte der Lord wissen.
    »Der Wald ist dort nicht sehr dicht. Kann so leicht kein Tier auskommen. Haben immer wenige Stücke verloren, Euer Lordschaft«, entgegnete der Hirte.
    »Und auf dieser Treibe?«
    Der Mann verstand die Frage offensichtlich nicht und sah sich hilfesuchend nach dem Herrn von Cluny um.
    »Wie viele Stücke hast du dieses Mal verloren?«, fragte er den Schweinehirten geduldig.
    »Keines, Herr von Cluny, keines«, erwiderte der Mann.
    »Erzähl weiter«, befahl der Haushofmeister.
    »Gab auf dem Weg für alle Schweine genug zu fressen. Wenn das Wetter so anhält, kann man nicht klagen, Herr.«
    Jetzt lächelte der Hirte, um den Erfolg der diesmaligen Treibe zu unterstreichen. Bis zu drei Wochen konnte so ein Schweinetrieb dauern, für einen Weg, den ein guter Fußgänger bei trockenem Wetter in kaum mehr als vier Tagen bewältigen kann. Aber die Schweinehirten hatten Zeit, denn die Tiere sollten ja das kostbar angefressene Fett durch ihr stetes Laufen nicht wieder verlieren, sondern an Gewicht noch zulegen.
    Jack erzählte weiter. »Hab nach einer großen Bache gesucht. War bald zu finden. Das Vieh liegt unter einem Baum in einer Suhle, recht bequem. Und will nicht weiterziehen.«
    »Was tust du in solchem Fall?«, ließ der Lord fragen.
    »Ei, ich tu es mit einem Prügel streicheln. Will dann schon auf, die fette Schlampe.«
    »Gibst du deinen Schweinen Namen?«, wollte der Burgherr wissen.
    »Ei freilich, Herr. So sind sie leicht zu rufen.«
    »Schweine hören auf ihren Namen?«
    »Ja, Herr. Manchmal schon.«
    »Was heißt dies, manchmal?«
    »Die Burgfräulein nicht so sehr wie die adeligen Herren«, entgegnete der Mann treuherzig.
    Die Zuhörer lachten amüsiert.
    »Was soll das heißen, die Burgfräulein?«, fragte der Lord neugierig.
    »Wir geben manchmal einer Bache den Namen einer lieben Frau, wenn sie genauso wie ein Weib von Adel.«
    »Erklär mir dies!«, befahl der Lord.
    Der Schweinehirte sah sich um und kratzte sich am Hals. Er wusste, dass Schabernack immer geduldet war. Aber die Reaktion des gestrengen Lords kannte er nicht. Dabei war es durchaus üblich, dass sich das einfache Volk auf Kosten des Adels lustig machte. Es war ihr einziges, oft genug winziges Vergnügen, und jedermann genoss das Recht dieser schmähenden Worte. Aber ein Adeliger hatte das Recht, einen solchen Spötter zu bestrafen. Dann war eine solche Strafe hart.
    »Die Bache, die ich gesucht, war wie ein feines Fräulein. Sie ging sehr vorsichtig und hob die Läufe vor jedem Dreck am Boden, so als wär ihr der Weg nicht genehm«, erklärte Jack.
    Die Zuhörer lachten, und auch der Lord musste schmunzeln.
    »Und diese Sau, wie hieß die?«
    Der Mann sah sich jetzt scheu nach allen Seiten um, und Gwyn konnte sehen, wie sehr ihm diese Antwort unangenehm sein musste.
    »Herr, dies kann ich Euch nicht sagen.«
    »Was«, antwortete der Lord gereizt. »Warum nicht?«
    »Ich …«
    Der Schweinehirt stockte und sah sich unsicher um.
    »Es ist besser, du sagst es«, befahl

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