Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
Gorillafamilie den ganzen Tag umschwirren. Noch während sich Kabirizi, wie jeden Abend, sein neues Schlafnest aus Laub und Zweigen baut, lichten sich die Schwärme der Plagegeister.
Auch wenn es so aussieht, als ob der Silberrücken wahllos Grünzeug für seine Matratze zusammenklaubt, stellt ihn das Ergebnis nicht sofort zufrieden. Immer wieder hält er inne und betrachtet sein Nachtlager, als ob er darüber sinniere, ob die Polsterung bereits ausreichen wird oder es noch einer Schicht bedarf. Schließlich, nach mehreren Lagen und einem kurzen Probeliegen, ist Kabirizi zufrieden.
Schnell senkt sich die Nacht herab. Kabirizi lauscht. In der abflauenden Abendbrise rascheln die Blätter der Bäume. Eine einsame Grille zirpt kurz auf Brautschau, bevor es ihr zu kalt wird und sie sich wieder in ihre Erdhöhle zurückzieht. Nebenan hört Kabirizi, wie sich Karibu in ihrem Nest eine angenehme Schlafposition sucht. Zu Beginn jeder Nacht braucht es eine Weile, bis das Körpergewicht das widerspenstige Lager zu einer halbwegs komfortablen Unterlage gequetscht hat. Ihr unwilliges Schnauben lässt Kabirizi kurz aufhorchen. Auch die anderen Familienmitglieder haben es sich offensichtlich bequem gemacht. Selbst ihre geräuschvollen Blähungen flauen langsam ab. Bald wird es still.
Kabirizi hört seinen Atem und ein tiefes, gleichmäßiges Wummern in seiner Brust. Sein Puls verlangsamt sich. Seine Augenlider werden schwer. Sehen kann er jetzt sowieso kaum noch etwas. Graue Schatten allenfalls und zwischen den Lücken der Baumwipfel das eine oder andere durch scheinende Licht eines Sterns. Der Schlaf eines Gorillas ist tief und fest. Manchmal wacht er auf, dreht sich von einer Seite auf die andere und lauscht kurz, um schließlich wieder abzutauchen in das dunkle Reich, in dem er sich auflöst, so als ob es ihn nie gegeben hätte.
In dieser Nacht ist es jedoch anders. Als Kabirizi wieder einmal erwacht, hört er Geräusche, die er sonst nicht hört. Irgendwo raschelt es verdächtig, und er vernimmt ein Wispern. Kabirizi lauscht. Er will sich vergewissern, dass er sich nicht täuscht. Kurz wird es ganz still, doch dann dringen die Geräusche wieder an sein Ohr. Da, ein metallisches Klacken. Was ist das? Ein Leopard kann es nicht sein. Die schleichen sich so leise an, dass man sie fast nie hört. Erst wenn sie sich auf ihre Beute stürzen, wird es laut. Aber was ist es dann? Auf jeden Fall ist es ungewöhnlich – und das bedeutet gerade in der Nacht Gefahr. Kabirizi richtet sich auf. Er versucht zu ergründen, woher die Laute kommen. Seine Augen durchdringen die Finsternis nur schwer. Seine Nase erfasst noch nichts Beunruhigendes. Er muss sich auf sein Gehör verlassen. Der Silberrücken schnaubt. Das Wesen, das sich so unverschämt in seine Nähe wagt, soll ruhig wissen, dass er da ist. Auf sein Belfern folgt Stille. Dann hört Kabirizi wieder jenes merkwürdige Wispern.
Was auch immer es ist, es weiß nun von seiner Präsenz. Aber noch verschwindet dieses Etwas nicht. Kabirizi schlägt mit einer Faust auf den Boden. Der dumpfe Ton, den er aus dem Erdreich hämmert, muss doch beeindrucken, aber das Wispern wird lauter. Kabirizi späht nach allen Seiten. Das Geräusch scheint von rechts hinten zu kommen. Also dreht er den Körper in diese Richtung. Auf die Arme gestützt, spannt sich die Muskulatur seines Oberkörpers. Das Wispern scheint sich zu bewegen und wandert nach links. Die Entfernung bleibt jedoch ungefähr gleich. Will ihn das Wesen etwa umkreisen? Wer einen umkreist, tut dies selten in guter Absicht.
Unwillkürlich spornt die Bewegung den Kampfgeist des Gorillas an. Wenn da einer ihm oder seiner Familie etwas Übles tun will, soll der schon sehen. Nacht hin oder her. Kabirizi richtet sich auf, hebt seine Arme und lässt sie donnernd auf die Erde krachen. Im Umkreis von zehn Metern erzittert der weiche Waldboden. Jetzt muss der nächtliche Störenfried doch einsehen, welch mächtigen Gegner er vor sich hat. Tatsächlich, es ist still. Zwar raschelt es nach kurzer Zeit erneut, das Geräusch scheint sich aber in den Wald zurückzuziehen. Kabirizi folgt ihm angestrengt mit seinen Ohren, bis es schließlich ganz verschwindet. Lange noch bleibt er aufmerksam stehen, misstrauisch wartet er, ob sich etwas regt. Nein, alles bleibt ruhig.
Schließlich wendet er sich, ganz im Vertrauen auf die abschreckende Wirkung seiner Kraft, dem Schlafnest zu. Seine Körperwärme, die sich in dem Pflanzenpolster gefangen hat te, ist
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