Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
und schreckliche Blitze entfesseln. Hin und her gerissen zwischen seinem Zorn, seinem Angriffswillen und der Furcht vor den mächtigen Wesen verharrt er im Dickicht. Er sieht die suchenden Lichtkegel, er hört die aufgeregten Stimmen und sieht huschende Schatten.
Sie haben sich weit von Kabirizis Familie entfernt. Weit genug jedenfalls, dass sie keine unmittelbare Gefahr mehr darstellen. Es drängt den Silberrücken zurück. Zu groß ist seine Unsicherheit gegenüber diesem mächtigen Feind, zu groß seine Sorge um seine Sippe. Leise und unmerklich verschwindet der Gorillamann. Sein dunkles Fell verbirgt ihn gut in der Nacht. Die Wesen suchen weiter nach ihm, aber ihr Gebrüll verebbt bald hinter Kabirizi. Einige Mal dreht er sich noch nach ihnen um, sichert, dass ihm niemand folgt, grunzt widerwillig in ihre Richtung.
In der Aufregung hat er nicht gemerkt, wie weit und in welche Richtung er die Störenfriede tatsächlich verfolgt hat. Ihm ist klar, dass er die meiste Zeit bergab gerannt ist. Ob und wie oft er nach links oder nach rechts gestürmt war, weiß er aber nicht mehr. Er weiß nur, dass sich seine Familie irgendwo bergauf befindet. Langsam wandert er den Hang hinauf. Immer wieder stoppt er, lauscht, wittert. Verunsichert sucht er nach Feinden und hofft gleichzeitig, ein Zeichen von seiner Gruppe zu finden. So kommt er nur schleppend voran. Schließlich trifft er auf seine eigene Fährte. Seine rasende Verfolgungsjagd hat einen Busch arg ramponiert, dessen zerknickte Zweige nun schlaff auf dem Boden liegen. Ab hier fällt es Kabirizi leichter, zu seinem Ausgangspunkt zurückzufinden. Er orientiert sich an der Schneise, die sein Körper durch das Unterholz gebrochen hat. Als er endlich an seinem Schlafnest ankommt, schnuppert er am Boden. Es riecht nur nach ihm selbst, nach niemand anderem. Kabirizi setzt sich und hält einen Moment inne. Der lange Rückweg hat seinem Körper Zeit gegeben, Adrenalin abzubauen. Noch ist er nicht ganz ruhig, aber die Spannung und Gefährlichkeit einer geladenen und entsicherten Pistole stecken nicht mehr in ihm. Er nestelt an einem kleinen Kraut vor sich am Boden. Er sieht kaum, was er tut, aber die gleichförmige Bewegung seiner Finger, die immer wieder um die kleinen Blättchen kreisen, beruhigt ihn. Er ist unschlüssig. In dem Tohuwabohu hat er nicht gemerkt, dass nicht nur er durch den Wald gerast ist, sondern auch die anderen Gorillas verschreckt geflüchtet sind.
Kabirizi schaut nach oben. Zwischen den dunklen Kronen des Urwaldes blitzen Sterne auf, die er betrachtet. Diese Lichter sind nicht grell wie jene, die ihn noch vorhin geblendet haben. Der Wald ist wieder still. Kabirizi lauscht in die Dunkelheit, während in ihm noch das Getöse der Gewehrsalven nachhallt. Er muss seine Familie finden. Nichts wäre schlimmer, als wenn er sie nie wiedersehen könnte. Nicht einmal der Tod könnte schrecklicher als der Verlust seiner Herrschaft sein.
XX
I n der Nacht, als Kabirizi die merkwürdigen Geräusche hört, Blitze durch den dunklen Regenwald zucken und ein ohrenbetäubendes Knallen ihm beinahe die Sinne raubt, hören auch die Ranger, die im Camp Gatovu übernachten, die Schüsse. Sie schälen sich aus ihren Schlafsäcken und stehen lauschend am Waldesrand. In der Dunkelheit auf Patrouille zu gehen, käme einem Selbstmord gleich. Sie könnten überall in einen Hinterhalt geraten und müssen daher bis zum Sonnenaufgang warten. Nachdem die Schüsse in der Nacht verhallt sind, wird es unheimlich still. Die Welt scheint gelähmt. Im flackernden Schein des wiederentfachten Lagerfeuers wechseln die Ranger düstere Blicke. Was werden sie am Morgen vorfinden?
Der neue Tag bringt schlechte Nachrichten. Paulin erzählt Robert, was ihm seine Männer berichtet haben. Sie sind in der Frühe ausgerückt und haben die Schlafstelle von Kabirizis Sippe schnell gefunden. Da sie jeden Tag zu den Gorillas gehen, wissen sie meist genau, wo sich die Familie aufhält. Sie haben Rubiga entdeckt, mit einer Kugel im Arm und einer im Hinterkopf. Es war eine regelrechte Hinrichtung. An den Leib der Mutter geklammert finden sie ihre wenige Wochen alte Tochter Ndakasi. Diese ist schwach, und es ist fraglich, ob sie überleben wird. Sie ist nahezu leblos, als einer der Ranger sie vom Körper der Mutter löst. Sie kann kaum die Augen öffnen oder den Kopf drehen. Die Kälte der Nacht hat beinahe jeden Lebensfunken in ihrem Körper ausgelöscht. 24 Stunden ohne nährende Milch haben sie zusätzlich
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