Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
Nachschub. Bei einer Überprüfung der Kontrollstelle sieht alles so wie immer aus. Etwa zehn Ranger überprüfen die Ladung der Lkw. Doch sie finden keine Holzkohle mehr. Die Laster transportieren tatsächlich nur noch Gemüse. Robert blickt in ratlose Gesichter. Die Ranger wissen nicht, weshalb hier keine Kohletransporte mehr durchkommen, und aus den Bauern oder Lkw-Fahrern ist nichts herauszubringen. Die Lösung des Rätsels lässt allerdings nicht lange auf sich warten. Denn bald, nachdem die Konfiszierung ins Stocken geraten ist, rast ein Militärlaster durch die Sperre der Ranger. Die Parkwächter wollen ihn stoppen, aber schon von Weitem rufen die Soldaten, dass sie nicht anhalten werden. Die Ranger seien nicht zuständig für sie. Der Fahrer gibt Gas. Nur knapp rettet einer der Wildhüter sein Leben, indem er in den Straßengraben springt. Sein Bein bricht. Der Armeelaster braust, eine Staub- und Dieselrußfahne hinter sich herziehend, davon. Das ist also das Schlupfloch, das die Holzkohlemafia gefunden hat. Mehrmals kommt es zu solchen Durchbrüchen. Es ist nur Zufall, dass dabei kein Ranger ums Leben kommt. Der Holzkohlestapel in Roberts Garten wächst nicht mehr. Die Aktion droht zu scheitern. Es ist zum Verzweifeln. Endlich ein Erfolg, endlich eine praktikable Lösung und dann dieser Rückschlag. Der Wald geht weiter in Flammen auf.
Robert überlegt angestrengt, was zu tun ist. Überall gibt es Regeln, selbst in dieser von Krieg und Gewalt geplagten Region. Der oberste Grundsatz lautet, dass der Stärkere recht hat. Also muss er jemanden finden, der stärker als die Soldaten ist, deren Gewehre die Holzkohlelaster beschützen. Militärs dürfen und können nur von Militärs verhaftet werden. Das »Dürfen« resultiert aus dem Gesetz, das entscheidende »Können« aus den Waffen der Soldaten. Es kostet Robert viele Stunden und viele Gespräche mit Offizieren der kongolesischen Armee. Er muss viele mürrische und unwillige Blicke aushalten, aber schließlich kommt der entscheidende Anruf. Das Kommando hat eingewilligt, die Militärpolizei wird die Kontrollen am Posten bei Kibati gemeinsam mit den Rangern durchführen.
Bereits am folgenden Tag fährt wieder ein schwer mit Säcken beladener Lkw vor Roberts Tor. Und wieder stapeln Männer Holzkohlesäcke in seinen Garten. Diesmal sind es sogar Soldaten. Eine noch viel größere Sensation als bei der ersten Lieferung. Wieder läuft das Viertel zusammen und bestaunt, wie die uniformierten Männer Sack für Sack abladen. Die Freude über die Konfiszierungen weicht aber bald der Sorge um die Anziehungskraft, die so eine wertvolle Ware auf die Halunken der Gegend ausübt. Außerdem zeigt der kleine Berg jedem deutlich, wer für die unliebsamen Kontrollen und die Beschlagnahme der Holzkohle verantwortlich ist. In Goma sind Menschen aus nichtigeren Gründen getötet worden. Die Lebensgefahr für Robert wird mehr als nur eine abstrakte Bedrohung, als ihm Paulin einen seiner Besuche abstattet.
Der Ranger bittet Robert, sich mit ihm an einen Tisch zu setzen. Robert weiß sofort, dass etwas nicht stimmt. Wenn Paulin so mit ihm redet, gibt es unangenehme Neuigkeiten. Endlich kommt der Wildhüter zur Sache. Er zieht aus seiner Brusttasche ein vergilbtes Stück Papier und schiebt es Robert über die Tischplatte zu. Mit blauer Tinte und in unsicherer Schrift steht darauf: An Robert Muir. Wir kennen dich, wir wissen, wo du wohnst. Wir werden dich töten. Robert blickt Paulin an. Sie wissen beide, dass dies keine leere Drohung ist.
In den kommenden Tagen bleiben ihre Sinne geschärft. Wie eine Antilope in der Savanne, die weiß, dass die Löwen da sind, bleiben sie umsichtig. Aber auch die Antilope muss, will leben – und tut es auch. Genauso wie ein Gorilla nicht die ganze Nacht schlaflos wachen kann, nur weil irgendwo ein Leopard durch das Dickicht streift. Er ist da, so viel ist sicher, man muss aufmerksam sein, um sich zu schützen, aber man kann nicht das ganze Leben darauf ausrichten.
XIX
S o rasch wie die Sonne am Äquator jeden Morgen aufsteigt, so eilig hat sie es, sich am Abend hinter dem Horizont zu verbergen. Die Dämmerung dauert nur kurz, und unter dem dichten Blätterdach des Bergregenwaldes verdüstert sich die Welt noch schneller als im freien Gelände. Bald weicht auch die Wärme aus der Luft und dann aus allem, das sie tagsüber aufgesogen hat, aus Blättern, Ästen, Stämmen und aus der Erde. Dunkelheit und Kälte vertreiben die Fliegen, die eine
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