Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
viele Tage dauern, bis er wieder zu seinen Gewohnheiten zurückfindet.
Kabirizi hofft so sehr auf Rubigas Rückkehr, dass er das Fehlen eines weiteren Weibchens zunächst nicht bemerkt. Seit der Nacht, in der die Wesen kamen, die Blitze durch den Wald zuckten und das ohrenbetäubende Knallen auf Kabirizis Trommelfell schlug, fehlt auch Lesenjina, die Mutter der gerade einmal zwei Jahre alten Mutazimiza. Die Chancen der Kleinen, ohne ihre Mutter zu überleben, sind gering. Wer wird sich um sie kümmern? Von wem soll sie lernen, wie man Bambussprossen schält oder stachelige Distelblätter ohne Schaden frisst? Wer wird ihrem schmächtigen Körper in der kalten Nacht Wärme spenden? Und wer wird sie beschützen, wenn einer der anderen Gorillas einmal zu heftig mit ihr streitet? Zitternd sitzt Mutazimiza am Boden. Ohne die beruhigende Nähe der Mutter wirkt der Wald bedrohlich, gewinnt die Welt erdrückendes Gewicht. Von Weitem hört das Gorillamädchen die traurigen Rufe Kabirizis.
Da greift eine Hand nach Mutazimiza, umklammert ihren Arm und hebt sie hoch. Tumaini, ihre Schwester, zieht sie an sich heran. Mit ihr hat Mutazimiza so manchen Mittag im selben Nest verbracht und manche Stunde gespielt. Auch in der Nacht des Angriffs war es die Hand der Schwester, die nach Mutazimiza griff, sie zwischen den hektisch durcheinanderlaufenden Gorillas aufhob und vor Schaden bewahrte. Noch ehe die Kleine wusste, wie ihr geschah, spurtete Tumaini mit ihrer Schwester durch den Wald, fort von dem lauten Knallen und fort von dem brüllenden Kabirizi, der sich den Feinden entgegenwarf. Mit der Schwester verbrachte sie auch den Rest der Nacht. Ihr Körper strahlte eine ebenso wohlige Wärme ab wie der Leib der Mutter. Ängstlich klammerte sich Mutazimiza an Tumainis Fell. Beruhigend fuhren deren Finger immer wieder über den Rücken des Jungtieres. Noch hat Tumaini nicht ganz das Alter erreicht, in dem sie mit einem Silberrücken den ersten Nachwuchs zeugen wird. Aber lange wird es nicht mehr dauern. Ihre mütterlichen Instinkte regen sich bereits heftig und finden in Mutazimiza ein willkommenes Ziel. So kam es, dass Tumaini in jener Nacht ihre Schwester Mutazimiza beschützte. Ohne ihre Hilfe müsste Mutazimiza wohl sterben.
Geschwisterliche Zuwendung ist unter Gorillas nichts Ungewöhnliches. Sie beginnt beim Spiel, setzt sich über Erziehungshilfe fort und kann bei ausgewachsenen Männchen sogar so weit führen, dass sie sich das Patriarchat über eine Gruppe teilen. Auch Mivumbi, Kabirizis etwa sieben Jahre alte Tochter, kümmerte sich um ihre Schwester Maheshe, als die Mutter der beiden starb. Furaha war von einem Baum gestürzt und so unglücklich auf dem Waldboden aufgeprallt, dass sie sich nicht wieder davon erholte. Als sie sich krank in ein Dickicht zurückzog, folgten ihr Maheshe und Mivumbi. Sie blieben bei ihr, obwohl sich ihr Körper schon lange nicht mehr regte. Viele Stunden ließen sie nicht von der Mutter ab. Schließlich packte Mivumbi ihre jüngere Schwester und zog die Kleine, die mit einem jämmerlichen Quäken protestierte, von Furahas Leiche fort.
Maheshe ist sehr schüchtern. Die Unbekümmertheit und Ausgelassenheit anderer Gorillas fehlen ihr. Dank ihrer Schwester hat sie zwar überlebt, die Erfahrung und Sicherheit spendende Souveränität der Mutter konnte Mivumbi ihr aber trotz aller Mühe nicht ersetzen.
Die Geschwister sind nahezu unzertrennlich. Verschwindet Mivumbi ohne ihre Schwester, dann sitzt Maheshe alleine da, frisst Blätter und Triebe und wartet geduldig, bis die Gefährtin wieder auftaucht. Zu anderen sucht sie keinen Kontakt. Nur wenn sich eines der Jungtiere nähert, um sie mit Knüffen zum Spiel aufzufordern, geht sie zögernd darauf ein. Meist bleibt Maheshe aber alleine.
So wie sich Mivumbi um Maheshe gekümmert hat, so wird sich nun auch Tumaini um Mutazimiza kümmern. Sie wird ihr Bestes geben, damit ihre Schwester heranwachsen und zum Fortbestand der Sippe beitragen kann. Lesenjina jedenfalls bleibt verschwunden. Und auch von Rubiga und ihrer frisch geborenen Tochter Ndakasi fehlt jede Spur.
Währenddessen suchen die Ranger weiter nach Kabirizis Familie. Es dauert Tage, bis sie die Fährte der Gorillas aufspüren. Als sie den Verband endlich entdecken, zeigt sich der Silberrücken sehr ungehalten. Er ist enorm beunruhigt. Die Ranger ziehen sich zurück, bleiben aber in der Nähe der Sippe. Sie versuchen, so gut es geht, die Zahl der Gorillas zu bestimmen, kommen aber nur auf 24.
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