Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
Immerhin, so denkt Robert am Abend des Tages, an dem er die gute Nachricht erhält, wenigstens der Großteil der Familie hat überlebt. Doch nach Tagen der Ungewissheit kommt wieder eine schlechte Nachricht. Die Ranger sind sich sicher. Ein weiteres Weibchen der Familie fehlt. Es ist Lesenjina. Ihre Tochter Mutazimiza haben die Wildhüter hingegen gesehen. Sie wird jetzt von ihrer älteren Schwester Tumaini herumgetragen. Wird diese müde, dann setzt sie Mutazimiza ab. Das gefällt der Kleinen überhaupt nicht, weshalb sie dann ein jämmerliches Quäken anstimmt. Mivumbi, eine Halbschwester Mutazimizas, ist dann meist zur Stelle. Sie besitzt ein fürsorgliches Gemüt und hat sich bereits um ihre jüngere Schwester Maheshe gekümmert, als ihre Mutter starb.
Doch alle körperliche Nähe ersetzt keine Muttermilch. Mutazimizas Haut wird schuppig, ihre Handflächen und Fußsohlen zerfleddern förmlich. Ohne den ledrigen Schutz spüren die Füße und Hände nun jeden Zweig, jeden Dorn doppelt schmerzhaft. Die Zweijährige kann kaum noch lau fen. Ein Arzt des Mountain Gorilla Veterinary Project kommt und begutachtet Mutazimiza. Er entscheidet, nichts zu tun, sondern auf die Lebenskraft der Kleinen zu bauen.
XXII
D ie Spur führt ins Büro des Parkdirektors. Das wird Robert und Paulin immer klarer. Während sie weiter versuchen, den Holzeinschlag und die Köhlerei im Park zu verhindern, arbeitet Direktor Mashagiro gegen sie. Er beschuldigt Paulin, für die getöteten Gorillas verantwortlich zu sein. Er hebt dessen Befehle auf und verunsichert Paulins Männer weiter, indem er sie beschuldigt, ohne seine Zustimmung gegen die illegalen Rodungen vorzugehen.
Paulin verhaftet immer wieder Köhler, die den Wald abholzen. Sie haben oft ruandische Pässe, sodass die Ranger sie verhören und dann zur Grenze bringen. Sie tragen Zettel bei sich, auf denen steht, dass sie die Genehmigung für das Holzfällen hätten. Die Papiere tragen Stempel und Unterschriften. Es sind die lokalen Militärs, die diese Zettel verteilen. Zehn bis 15 Dollar pro Monat kostet so eine Genehmigung.
Doch die Menschen, die in den Park gehen und Bäume fällen, befinden sich nur an der Peripherie eines Netzwerkes, dessen Fäden in den Händen weniger Personen zusammenlaufen. Das sind meist Offiziere. Die machen das große Geld. Paulin ist überzeugt, dass auch sein direkter Vorgesetzter einer jener Männer ist, die zur eigenen Bereicherung den Wald der Virungaberge verhökern. Immer mehr Menschen beuten den Park aus. Bald werden die Bäume und mit ihnen auch die Gorillas verschwunden sein. Doch Paulin kämpft weiter dagegen an. Die kongolesische Mentalität, so sagt er, hat eine Stärke. Gerade weil die Menschen so viel Leid erleben, gehen sie immer davon aus, dass es morgen besser sein wird.
Die Beschlagnahmung der Holzkohle geht weiter. Trotzdem ist der Stapel aus Holzkohlesäcken in Roberts Garten verschwunden. Zukünftig werden die Säcke im Hauptquartier in Rumangabo gelagert und später an die Flüchtlingslager verteilt. So haben die Armen Brennstoff und müssen sich nicht auf eigene Faust mit Holz oder Holzkohle eindecken.
Der Druck auf Paulin nimmt zu. Mehrfach wird er von Freunden gewarnt, dass ein Hinterhalt auf ihn wartet, dass Männer mit Waffen auf dem Weg zu einem Rangerposten auf ihn lauern. Nachts schleicht Gesindel um sein Haus, er hat die Schatten gesehen. Sie haben einzubrechen versucht, aber die Männer, die ihn nun ständig begleiten, denen er noch vertraut, haben sie verjagt. Dennoch haben Robert und Paulin das Gefühl, dass sich damit vielleicht noch Schlimmeres ankündigt, dass eine gewaltige Eruption bevorsteht. In diesen Tagen erreicht sie eine Nachricht vom Gipfel des Nyiragongo.
Eine chinesische Touristin ist auf den Vulkan gestiegen. Nichts Ungewöhnliches, denn trotz aller Kriegswirren, trotz aller schlechten Nachrichten aus Goma, wagen neben den Mitarbeitern von Hilfsorganisationen auch immer wieder ganz gewöhnliche Urlauber den Trip in den Osten des Kongos – und die Besteigung des aktiven Vulkans. Eine Wanderung auf den knapp 3 470 Meter hohen Kegel erfordert kein bergsteigerisches Geschick. Zunächst geht es durch dichte Vegetation. Aber dann lichten sich auf halber Höhe die Wälder und öffnen sich zu einer alpinen Landschaft. Man steigt über erkaltete Lavazungen und sieht kleine Rauchsäulen aus Felsspalten aufsteigen. Ansonsten verrät nichts, dass man sich auf dem Rücken eines schlafenden Drachens bewegt. Am
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