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Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Jutzi
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Kraterrand angekommen, fällt der Blick mehrere Hundert Meter in die Tiefe und belohnt für die Anstrengungen des Aufstieges. Im Inneren des Kraters brodelt ein permanent aktiver Lavasee. Immer wieder erkaltet das geschmolzene Gestein an der Oberfläche und bildet schwarze Schollen. Zwischen ihnen verästeln sich glühende Adern aus pulsierendem Magma. Immer wieder scheint sich die Oberfläche des kochenden Sees fast völlig zu schließen, scheinen die dunklen Schollen das Tohuwabohu unter sich begraben zu wollen. Sobald aber ihre feurigen Ränder zu erlöschen drohen, sprengen gewaltige Explosionen den Panzer, schleudern Schmelze Dutzende Meter in die Höhe und versetzen den Glutsee in Wallung. Das Donnern der Erdgewalt klingt wie die Sturmbrandung an einer steilen Felsküste, und die Hitze ist selbst noch am Kraterrand als warmer Hauch zu spüren.
    Was genau es gewesen ist, das die Chinesin veranlasste, in den Krater hinabzuklettern, weiß niemand. Vielleicht tauchten Bilder aus der Verfilmung des Romans »Der Herr der Ringe« in ihr auf, und sie fühlte sich wie Frodo, der an den Schicksalsklüften steht und den alle verderbenden Ring in die Lava werfen soll, um ihn zu vernichten. Vielleicht bewies sie aber auch nur jene Entfremdung moderner Zivilisationsmenschen, die den Bezug zu natürlichen Gefahren verloren haben. Jedenfalls nutzten die Warnungen ihrer Begleiter nichts. Sie ließ sich von ihren Führern und Trägern nicht davon abbringen, sich vom Kraterrand die steilen Felswände herabzulassen. Doch schon bald musste sie erkennen, dass sie sich übernommen hatte. Lavafelsen bieten, anders als beispielsweise Granit, nur schlechten Halt, unter anderem, weil sie sehr porös sind und bei Druck sehr leicht zerbröseln. Das wurde auch der Chinesin zum Verhängnis. Sie stürzte ab. Ihr Körper blieb 30 Meter tiefer auf einem Vorsprung hängen. Zwar sahen ihre Helfer, dass sie noch lebte und sich bewegte. Aber ein Abstieg hätte nur weitere Leben in Gefahr gebracht. Die Träger verständigten die Behörden in Goma, doch konn te ein Rettungshubschrauber der UN-Truppen aufgrund schlechten Wetters erst zwei Tage später starten. Da war die Frau bereits tot, und die Helfer konnten nur noch ihre Leiche bergen.
    Das tragische Ende einer Dummheit veranlasst Robert und Paulin nicht nur zum Kopfschütteln. Es führt zu einem weiteren Hinweis, dass Paulins Verdacht gegen seinen Vorgesetzten richtig sein könnte. Denn der Parkdirektor beschuldigt ihn, für den Tod der Chinesin verantwortlich zu sein. Mit vernünftigen Argumenten kann er diese Anklage allerdings nicht untermauern, zumal der Nyiragongo außerhalb des Mikenosektors liegt – und nur für den ist Paulin zuständig. Die haltlosen Vorwürfe des Direktors zeigen Robert und Paulin jedoch, dass sie auf der richtigen Fährte sind und dass ihr Vorgehen gegen den illegalen Holzkohlehandel allmählich Wirkung zeigt.
    Wie sehr die Naturschützer den Zorn der Kriminellen schüren, bekommen die Gorillas schon bald zu spüren. In einer regnerischen Nacht hören die Ranger des Postens Bukima erneut Schüsse, die Böses verkünden. Trotz aller Ungewissheit und allem Tatendrang müssen sie bis zum Morgengrauen warten. Zu gefährlich wäre eine nächtliche Erkundung. Wieder fließt die Zeit zäh, während der Regen dicht und schwer vom Himmel fällt und die Erde wie einen Schwamm tränkt. Am Morgen hängen Dunst und der scharfe Geruch von kaltem Rauch in der Luft. Der neue Tag bringt Gewissheit. Sowohl vom Lager in Bukima als auch vom Camp Bikenge brechen Wildhüter auf. Sie marschieren in die Richtung, aus der sie die Schüsse gehört haben. Der Weg führt sie zunächst durch feuchtes Gras, später in den dichten Wald. Regen und Tau durchnässen ihre Uniformen und ihre Stiefel.
    Die Parkwächter aus Bikenge sind zuerst an der Stelle, an der die Schüsse fielen. Sie finden, was jeder hoffte, nicht finden zu müssen. Drei tote Gorillaweibchen liegen im Unterholz. Sie gehören zur sogenannten Rugendo-Sippe, die nach dem früheren Familienoberhaupt benannt worden ist. Der alte Silberrücken wurde schon vor Jahren von Soldaten getötet. Ein kleiner Teil seiner ehemaligen Familie wird von seinem Sohn Humba angeführt, der andere, größere Verband schloss sich dem Silberrücken Senkwekwe an und trägt immer noch Rugendos Namen. Die drei toten Weibchen sind Neza, Mburanumwe und Safari. Mburanumwe war trächtig, ihr Körper trägt deutliche Brandspuren. Safari hatte wenige Monate zuvor

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