Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
er seine Aufgabe, für die er in den Kongo gegangen ist? Muss man nicht viel riskieren, um viel zu erreichen? Wenn schon die Ranger ihr Leben aufs Spiel setzen, muss er das nicht auch tun, wenn er ihnen noch in die Augen sehen will?
Als die Sonne ihre ersten Strahlen über den Horizont schickt, hat er eine Entscheidung getroffen. Er wird nicht gehen, und er wird auch Paulin davon abraten. Der Ranger kommt früh, es ist noch keine sechs Uhr. Bevor Robert ihm seinen Entschluss mitteilen kann, sagt Paulin, dass sie nicht fahren werden. Er hat von einem treuen Mitarbeiter erfahren, dass Kämpfer auf der Lauer liegen. Sie warten im Wald, wo der Gorilla erschossen worden ist. Sie haben einen Hinterhalt gelegt und, da ist er sich sicher, warten nur auf sie, um sie zu töten. Doch sie werden ihnen diesen Gefallen nicht tun. Paulin beißt die Zähne aufeinander, als er das sagt. Man sieht ihm an, dass er darunter leidet, nicht frei handeln zu können. Doch er bleibt in Goma. Robert selbstverständlich auch.
Am nächsten Tag bringen Ranger die kleine Ndakasi nach Goma, wo sie Tierärzte des Mountain Gorilla Veterinary Project versorgen. Zunächst einmal müssen alle Läuse und Zecken entfernt werden. Die Kleine wiegt gut zwei Kilo gramm. Das Gorillababy, eingehüllt in Frotteehandtücher, blickt mit großen Augen auf die Wesen, die sich nun um sie kümmern. Was geschehen ist, wird ihr genauso unverständlich bleiben wie die ganze Welt, die sie bisher kennengelernt hat und die ihr unverständlich geblieben ist. Die bestand im Wesentlichen aus dem Leib der Mutter. Groß war der, mit dichtem Fell bewachsen. Warm und Milch spendend. Das alles ist entschwunden. Mit jener Nacht, in der es so fürchterlich laute Geräusche gab, ist alles anders geworden. Warm ist es auch jetzt. Weich ist das, was sie einhüllt. Und Milch gibt es auch. Drei bis vier Liter trinkt sie pro Tag. Ihr Körper will wachsen und verlangt dafür Nachschub.
Wenn Menschen den Nachwuchs von Menschenaffen auf ziehen wollen, ist die Zuwendung entscheidend. Nur wenn es gelingt, eine enge Bindung mit dem Jungtier aufzubauen, nur wenn man seinen Lebenswillen durch intensive Pflege erhält und anstachelt, überlebt das Kleine.
Einige Tage später fühlt sich Ndakasi sehr schlecht. Sie hat Fieber, das Atmen fällt ihr schwer. So beginnt eine Lungenentzündung, eine tödliche Gefahr für das junge Leben. Doch Andre kommt mit einer Schüssel heißen Wassers und einigen Eukalyptusblättern. Dem Sud entsteigen heilsame Dämpfe zum Inhalieren. Eine Woche bleibt Ndakasi unter einem Sauerstoffzelt. Währenddessen weicht Andre nicht von ihrer Seite. Seine Fürsorge ist es, die Ndakasis Lebenswillen anfacht. Wochen später wird eine erneute Erkrankung ihr Leben gefährden. Durchfall. Ndakasis Darm scheidet Unmengen von gelblichem Wasser aus. Ihr Gewicht schrumpft innerhalb weniger Stunden von 4,5 Kilogramm auf vier Kilogramm.
Diesmal verschafft ein Antibiotikum Linderung. Die Infusion führt dem kleinen Körper außerdem Flüssigkeit zu, und Ndakasi erholt sich auch von dieser Attacke auf ihr Leben.
XXI
K abirizi wartet ab. Er sitzt neben seinem Schlafnest und lauscht in die Dunkelheit. Er kann nichts tun, um die durch den nächtlichen Überfall versprengte Gruppe zusammenzuführen. Jetzt in den Wald zu laufen und zu versuchen, Gorilla für Gorilla aufzustöbern und mit den anderen zu vereinen, käme einer Irrsinnstat gleich. In Kabirizi gärt noch immer Zorn und ringt mit der dämpfenden Betäubung, die der ungewöhnliche Lärm und seine Raserei über seine Sinne gelegt haben. Schließlich gewinnt aber das Verlangen nach sei ner Sippe die Oberhand. Er ruft sie. Dunkel und rau klingt seine Stimme, die weit durch die kühle Nachtluft dringt. Sie erinnert an das Husten eines gewaltigen Kettenhundes. Kabirizi ruft und wartet auf Antwort, hört jedoch kein Echo. Nichts regt sich, alles scheint erstorben.
Als die Sonne ihre ersten Strahlen über den Horizont schickt, sitzt der Gorillamann immer noch dort, wo er sich sein Nachtlager gebaut hatte. Langsam schält das Licht Konturen aus der düsteren Kulisse des Waldes. Schnell färben sich die grauen Schatten, und das Grün der Pflanzen tritt zutage. Sobald die Augen des Silberrückens seine Umgebung wieder deutlich erkennen können, erhebt sich Kabirizi. Er wird die anderen suchen. Er wird sie aufstöbern und seine Sippe wieder zusammenführen. Sein Körper ist noch steif von der durchwachten Nacht, doch mit jedem Schritt
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