Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
ihre Tochter Ndeze geboren. Der Säugling ist wie vom Erdboden verschluckt. Als die Ranger aus Bukima eintreffen, regnet es so heftig, dass eine weitere Spurensuche sinnlos wird. An diesem Tag können sie nichts weiter tun. Sie werden morgen wiederkommen.
Am folgenden Morgen stoßen die Ranger auf eine Überraschung. Aus der ganzen Gegend sind Helfer gekommen, die gehört haben, dass die Gorillas erschossen worden sind. Die Männer wollen Beistand leisten. Die Dorfbewohner gehen mit den Rangern in den Wald und bauen Holzgerüste, um die toten Weibchen aus dem Wald zu bringen. Sie sollen in Rumangabo begraben werden, dort, wo schon viele Gorillas in der Erde liegen. Angesichts des menschlichen Leids und Elends in der Region mag diese Reaktion verwundern. Sie ist allerdings der Beweise dafür, dass die Härte des Lebens die Menschen nicht zwangsläufig unerbittlich gegen ihre Mitkreaturen macht.
Kaum eine halbe Stunde, nachdem sie den Wald betreten haben, stößt eine andere Gruppe auf einen schlimmen Fund. Nicht nur drei Weibchen der Sippe wurden erschossen. Im Gestrüpp liegt der gewaltige Körper des Silberrückens Senkwekwe. Viele Männer müssen das Holzgestell tragen, auf dem der Körper des Urwaldkolosses ruht. Arme und Beine des Silberrückens sind an lange Holme gebunden, um den wippenden Leib auf der Bahre zu halten. Mit seinen geschlossenen, himmelwärts gerichteten Augen und seinen im Tod entspannten Gesichtszügen erinnert er an den gefallenen King Kong, jenen Riesenaffen, der im gleichnamigen Kinoklassiker nach New York verfrachtet und schließlich von Kampfpiloten auf einem Wolkenkratzer erschossen wird. Mit dem Körper des herabstürzenden Affen prallt die animalische Wildnis auf den harten Asphalt der Zivilisation – und hinterlässt Kummer und Traurigkeit. Diese Traurigkeit liegt auch über dem Zug, der die vier getöteten Gorillas aus dem Wald und zum Posten Bukima trägt. Die Bilder, die ein Fotograf der amerikanischen Wochenzeitschrift »Newsweek« davon schießt, gehen um die Welt. Die aufgebahrten Gorillas rühren die Menschen rund um den Globus.
Robert und Paulin gehen auch jetzt nicht in den Wald. Sie sind sich sicher, auch dies ist ein neuerlicher Köder, größer, schwerwiegender und niederträchtiger als der erste. Es ist offensichtlich, dass die Gorillas nicht von Wilderern oder Rebellen getötet wurden. Wer hinter dem Fleisch der Affen her gewesen wäre, hätte sie nicht im Wald liegen gelassen. Wer sie erschossen hätte, um an ein Jungtier zu kommen, das auf dem Schwarzmarkt mehrere Tausend Dollar ein bringt, hätte schon beim ersten Anschlag auf die Gorillas das Baby Ndakasi nicht bei seiner Mutter zurückgelassen.
Tage später finden die Ranger einen weiteren Beleg. Ndeze, die wenige Monate alte Tochter der erschossenen Safari, lebt. Sie war verschwunden, und die Wildhüter hatten bereits die Hoffnung aufgegeben. Aber ihr älterer Bruder, der zehnjährige Schwarzrücken Kongomani, hat sich ihrer angenommen. Er kann ihr zwar nicht die dringend benötigte Milch geben, aber sein Körper spendet Wärme in der Nacht, und seine Anwesenheit lindert Ndezes Einsamkeit. Der Säugling ist ausgezehrt und vor allem ausgetrocknet. Entweder die Ranger schreiten ein oder Ndeze stirbt. Ein herbeigerufener Arzt betäubt schließlich Kongomani. Freiwillig würde das Gorillamännchen seine Schutzbefohlene niemals jenen fremden Wesen herausgeben. Die Ranger bringen Ndeze nach Goma. Dort wird sie gemeinsam mit Ndakasi, der Tochter von Kabirizi, gepflegt. Die beiden Jungtiere sind ein gewichtiger Beweis dafür, dass nicht habgierige Wilderer die Gorillas erschossen haben, um an die Säuglinge zu kommen. Dass die Leiche eines der Weibchen aus Senkwekwes Sippe sogar angebrannt wurde, ist ein weiteres klares Zeichen. Ähnlich wie eine tote Katze, die italienische Mafiosi als letzte Warnung vor die Haustür eines unliebsamen Mitmenschen legen, so sollen auch die Gorillas ein letztes Stoppschild für Robert und Paulin sein. Wenn sie jetzt noch weitermachen, dann müssen sie sterben – oder eben die Gorillas, für die sie den Wald schützen und die Köhlerei verhindern wollen.
Die Lage spitzt sich zu, als der Parkdirektor Mashagiro seinen Untergebenen Paulin erneut beschuldigt, für die Erschießung der Gorillas verantwortlich zu sein. Die Polizei verhaftet Paulin. Zwei Tage lang hält sie ihn im Gefängnis in Goma fest und verhört ihn. Doch während der Ranger in einer Zelle sitzt, rattern rund um den
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