Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
verfolgte, war ein vorgefaßter Plan und richtige Überlegung bei der Ausführung unverkennbar. Sollte er z. B. nicht aus dem Zimmer hinaus oder umgekehrt nicht hinein und waren mehrere Versuche seinerseits, seinen Willen durchzusetzen, abgewiesen worden, so schien er sich in sein Schicksal zu fügen und legte sich unweit der betreffenden Tür mit erheuchelter Gleichgültigkeit nieder; bald aber richtete er den Kopf auf, um sich zu vergewissern, ob die Gelegenheit günstig sei, schob sich allmählich näher und näher, indem er, sorgfältig Umschau haltend, sich um sich selbst drehte, rich tete sich an der Schwelle angekommen behutsam auf und galoppierte dann, mit einem Sprunge darübersetzend, so eilfertig davon, daß man Mühe hatte, ihm zu folgen. Mit ähnlicher Beharrlichkeit verfolgte er sein Ziel, wenn er Appetit nach Zucker oder Früchten, die in einem Schranke des Eßraumes aufbewahrt wurden, erwachen fühlte; dann verließ er plötzlich sein Spiel, schlug eine seiner Absicht entgegengesetzte Richtung ein, die er erst änderte, wenn er außer Sehweite gekommen zu sein glaubte. Dann aber eilte er direkt in das Zimmer und zu dem Schranke, öffnete ihn und tat einen behenden, sicheren Griff in die Zuckerbüchse oder die Fruchtschüssel (zuweilen zog er sogar die Schranktüre wieder hinter sich zu), um dann behaglich das Erbeutete zu verzehren oder schleunigst damit zu entfliehen, wenn er entdeckt war; in seinem ganzen Wesen verriet er dabei deutlich das Bewußtsein, auf unerlaubten Pfaden zu wandeln. Ein eigentümliches, fast kindisch zu nennendes Vergnügen gewährte es ihm, durch Klopfen an hohle Gegenstände Töne hervorzurufen, und selten ließ er eine Gelegenheit vorüber gehen, ohne beim Passieren von Tonnen, Schüsseln oder Blechen dagegenzutrommeln; auch trieb er dieses übermütige Spiel sehr häufig während unserer Heimreise auf dem Dampfer, wo er sich ebenfalls frei bewegen durfte. Unbekannte Geräusche waren ihm aber in hohem Grade zuwider. So ängstigte ihn der Donner oder auf das Blätterdach prasselnder Regen, mehr aber noch der lang gezogene Ton einer Trompete oder Pfeife so sehr, daß stets sympathisch eine beschleunigte Verdauung angeregt wurde, die es geraten erscheinen ließ, ihn in möglichster Entfernung von sich zu halten.
Unter fortgesetzter Pflege gedieh unser Schützling zusehends bis zu Anfang Februar 1876; zu dieser Zeit aber befiel ihn eine schwere, mit Konvulsionen verbundene Krankheit, die nur als eine eigentümliche heftige Malaria-Infektion gedeutet werden konnte. Vier Wochen lang fürchteten wir täglich, ihn zu verlieren, bis seine außerordentlich kräftige Konstitution und vielleicht der konsequente Gebrauch von Chinin und Kalomel endlich den Sieg davontrug und ihn allmählich der Genesung entgegenführte. Die unendliche Mühe, die Mpungu allen Expeditionsmitgliedern gemacht hatte, wurde reichlich durch die Aufmerksamkeit, die ihm während seines ziemlich anderthalbjährigen Aufenthaltes in Berlin von allen Seiten gezollt wurde, aufgewogen; und wenn ihn auch schließlich die allen Menschenaffen Verderben drohende Lungenkrankheit gleichfalls hinwegraffte, so war dann ein Verlust für die Wissenschaft wenigstens nicht mehr zu beklagen.
Tatsächlich erfolgte der Tod unter den Erscheinungen der galoppierenden Schwindsucht, der sich in den letzten Tagen ein heftiger Magendarmkatarrh hinzugesellt hatte. Die übrigens in Gegenwart der ersten pathologisch-anatomischen Autorität (Virchow) vorgenommene Obduktion ergab noch das überraschende Resultat, dass Mpungu mehrere sehr schwere Krankheiten in der kurzen Zeit seines Lebens, und zwar wahrscheinlich der letzten Periode, durch seine außerordentlich kräftige Konstitution überwunden hatte. Es zeigten sich nicht nur die Reste einer früheren Herzbeutel- und Brustfellentzündung, sondern auch einer sehr ausgedehnten Darmerkrankung. Diese alle hatte er glücklich durchgemacht, und wäre es nicht gerade dieses unheilbare Übel gewesen, dem er erlag, so wäre es der wahrhaft aufopfernden Pflege seines Besitzers und Wärters wohl gelungen, ihn noch jahrelang der Wissenschaft zu erhalten.«
Es war also sehr wohl möglich, ein differenziertes Bild von Gorillas zu bekommen – wenn man es nur wahrhaben wollte. Trotz dieser anrührenden Beschreibung eines jungen Gorillas behielten diese Menschenaffen allerdings das Image einer brutalen und furchterregenden Bestie. So verwundert es nicht, dass den Westlichen Flachlandgorillas die
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