Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
jetzt seinen Kopf nach vorne. Er sieht etwas, das ihn beunruhigt. Noch ist er sich nicht sicher und schaut unbeirrt auf das Gebüsch, aus dem sich Ruzuzi gerade herausgearbeitet hat. Kabirizi wippt mit seinem Oberkörper nach vorne und stützt sich mit den Armen ab. Er fixiert etwas zwischen den Blättern. Ruzuzi dreht sich wieder um den Bambus. Seine immer noch kindliche Freude an dem Drehwurm blitzt jedes Mal erneut auf. Schon halten seine Finger der Fliehkraft nicht mehr stand, sodass er wieder in einen Busch kullert.
Kabirizis Blick richtet sich dagegen unverwandt auf jenes Ding im Gebüsch. Er hat das schon öfter gesehen. Es ist so ein schmales Etwas, das gefährlich werden kann. Es bewegt sich nicht, brüllt und zischt nicht, es strömt keinen markanten Geruch aus. Dünn wie der Stängel einer Brennnessel, aber ohne dessen grüne Farbe. Es ist bräunlich und schimmert an manchen Stellen matt. Das Ding verharrt unbeweglich im Busch, atmet nicht, fletscht keine Zähne und verspritzt kein Gift – und doch ist es die tödlichste Gefahr, die hier lauert: eine Drahtschlinge, ausgelegt von einem Wilderer. Der hat darauf gebaut, dass die reichlich vorhandenen Früchte viel Wild anlocken werden und ihm hier sehr wahrscheinlich ein Tier in die Falle gehen wird.
Kabirizi erinnert sich, dass Janja, nachdem sie ein solches Ding berührt hatte, den Geruch des Todes verströmte und ihr deshalb heute die Zehen am linken Fuß fehlen. Er weiß, dass Drahtschlingen gefährlich sind, und er sieht Ruzuzi direkt daneben spielen. Der kleine Gorillajunge dreht sich immer wieder fröhlich im Kreis und klettert mit Begeisterung aus dem Gebüsch, hat es ihn doch einmal mehr aus der Bahn geworfen. Erneut landet er in dem Strauch, in dem auch die Falle des Wilderers lauert. Kabirizi stößt einen dumpfen Laut des Missfallens aus, doch sein Sohn, ganz vertieft in das Spiel, beachtet ihn nicht. Schon dreht er sich abermals um den Bambus. Der Silberrücken schaut Ruzuzi zu, wie er sich im Kreis dreht. Schneller und schneller rennt der Kleine. Gerade löst die Fliehkraft seine Finger aus dem eben noch sicher geglaubten Griff um das Bambusrohr. Der Gorillajunge torkelt, stolpert und taumelt geradewegs auf die Schlinge zu. Kabirizi stürmt vorwärts. Es kostet ihn nur zwei kraftvolle Schritte, dann ist er bei seinem Sohn. Mit einer seiner mächtigen Hände packt er Ruzuzi am Arm und zieht ihn von der Gefahr weg. Dessen kleiner Körper hat seiner Kraft so wenig entgegenzusetzen, dass Ruzuzi weit hinter Kabirizi landet. Der Silberrücken dosiert den Einsatz seiner Muskeln aber genau, und Ruzuzi purzelt harmlos über den Waldboden. Wäre es nicht sein Vater gewesen, der ihn derart bestimmt von seinem Spielplatz entfernt hat, hätte er die ganze Aktion für einen Schabernack gehalten. So ist ihm aber sofort klar, dass es der Silberrücken ernst meint. Irgend etwas, vielleicht eine Laune oder Erfahrung, hat den Alten dazu getrieben, ihn von seinem Spielzeug zu entfernen. Ruzuzi weiß, dass es keinen Zweck hat, sich dem Willen des Vaters zu widersetzen. Wollte der nun einmal nicht, dass er dort spielt, dann hatte er sich daran zu halten. Schnell findet sich der Gorillajunge damit ab, die Bambusstange ist bereits vergessen, und sein Spieltrieb erkennt ein dünnes Lianengewächs als neues Ziel. Der seilartige Strang lässt sich wunderbar wie ein Turban um den Kopf wickeln, und wenn man ihn über die Augen legt, verschwindet die Welt. Kabirizi betrachtet seinen Sprössling wohlwollend. Fast könnte man glauben, er ahne, dass es nicht immer so friedlich bleiben wird und er seine Familie nicht immer vor den Gefahren, die auf sie lauern, schützen kann.
IX
D er Morgen findet Robert in unveränderter Stimmung. Heute steht ein wichtiges Vorhaben auf seinem Programm. Er wird den Nyiragongo besteigen, in dessen Krater ein permanent aktiver Lavasee brodelt. Das muss ein einmaliger Anblick sein. Aber diese Sensation wird er wahrscheinlich gar nicht sehen. Diesmal jedenfalls noch nicht, denn er will erst einen geeigneten Standort suchen, um eine Funkrelaisstation aufzubauen. Man hat zwar in weiten Teilen der Gegend zumeist einen guten Handyempfang, da die Wildhüter aber immer und überall kommunizieren können müssen, reicht das nicht aus. Roberts Vater hat seine militärischen Erfahrungen eingebracht, und daher werden sie ein Sicher heitskonzept einführen. Dazu gehört, dass sich die Ranger, wenn sie auf Patrouille gehen, von bestimmten Punkten ihrer
Weitere Kostenlose Bücher