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Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Jutzi
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ihre im Flachland lebenden Artgenossen vertilgen Berggorillas überwiegend Blätter, Stängel, Rinde oder Wurzeln. Die Pflanzen, aus denen der allergrößte Teil ihrer Nahrung besteht, wachsen beinahe überall, weshalb es sich nicht lohnt, darum zu streiten. Flachlandgorillas hingegen greifen häufiger nach Früchten. Da diese an Bäumen und Sträuchern reifen, die oft weit verstreut stehen, wandern sie viel weiter als ihre Artgenossen aus den Bergen. Je mehr Mühe es kostet, einen reich behangenen Baum aufzuspüren, desto wertvoller wird der Fund und desto eher lohnt es sich, die Futterstelle zu verteidigen. Das fördert den im Vergleich zu den Berggorillas aggressiveren Charakter der Flachlandgorillas.
    Ein Teil von Kabirizis Sippe ist in die Wipfel der Bäume geklettert, der andere wartet geduldig am Boden, bis die begehrten Früchte, abgebrochen oder durch die Kletterer heruntergeschüttelt, zu Boden fallen. Jeder bekommt genügend ab. Das eine oder andere Gezänk erhebt sich dennoch. Eifersüchtig wachen die Weibchen darüber, dass eine als rangnieder angesehene Rivalin nicht doch plötzlich an einer Stelle sitzt, an der besonders viele Früchte herabregnen. Noch erhebt keine der Gorilladamen ihre Stimme, noch genügt der Aufmarsch eines älteren Weibchens mit höherem Rang, um eine Nebenbuhlerin von einem prestigeträchtigen Platz zu vertreiben. Kabirizi spürt aber, dass die Gereiztheit in seinem Harem zunimmt. Sicherheitshalber hat er sich schon einmal von einer breiten Astgabel, in der es sich bequem lie gen und ernten ließ, auf den Boden hinabgelassen. Er ist kein begeisterter Kletterer, und seine Laune ist nun nicht mehr die beste. Noch einmal seinen schweren Körper in die Höhe zu wuchten, ist keine verlockende Aussicht. Hier unten das Fallobst einzusammeln, wirkt aber auch nicht gerade majestätisch. Seine unmittelbare Präsenz sorgt für Ruhe in der Gruppe und beugt unnötigem Streit vor. Das ist es wert, die erhöhte Position in der Astgabel aufgegeben zu haben.
    Kabirizi beobachtet Ruzuzi. Sein dreijähriger Sohn ist verspielt, aber auch sehr ungeduldig. Wenn seine Mutter Rubiga hinter der Gruppe zurückbleibt, um dafür zu sorgen, dass kein Nachzügler den Anschluss an die Familie verpasst, läuft er oft tatendurstig an den anderen vorbei, bis ganz zur Spitze der Gruppe. Schnell sucht er dann wieder die Nähe der Mutter, die ihm Sicherheit verleiht. Ohne sich dessen bewusst zu sein, ist Ruzuzi derjenige aus Kabirizis Gruppe, der fast allen Mitgliedern der Sippe täglich über den Weg läuft. Er spielt gerne mit den kleinen Gorillas der Familie. Kugelt er sich mit seinen Altersgenossen, strahlt noch immer die reine Kindlichkeit aus seinem Gesicht. Doch die Unbefangenheit eines herumtollenden Jungen wird er nicht mehr lange behalten. Schon jetzt bedrückt ihn, dass er die uneingeschränkte Aufmerksamkeit seiner Mutter, so wie er sie kennt, nicht mehr bekommt. Zwar hält er sich noch oft in ihrer Nähe auf und zählt auf ihr Einschreiten, wenn er sich mit einem anderen Gruppenmitglied zankt. Doch seit einiger Zeit kümmert sich Rubiga nur noch wenig um ihn. Vor Tagen hat sie ihn sogar mit einem zischenden Laut angefahren, als er neben ihr saß und Bambus knabberte. Er kennt den Grund für diese abweisende Haltung nicht und nimmt die Zurückweisung nicht allzu ernst. Er ahnt nicht, dass sich für ihn eine neue Phase seines Lebens ankündigt.
    Gerade verfolgt Ruzuzi eines seiner Lieblingsspiele – zumindest wenn er alleine ist. Mit seiner linken Hand umfasst er einen ausgewachsenen Bambushalm, um den herum Sträucher und Büsche etwas Platz freilassen. Seine Handfläche gleitet geschmeidig über die herrlich glatte Oberfläche. Er biegt seinen Oberkörper zur anderen Seite, sodass sein Gewicht den linken Arm ganz straff zieht. Dann läuft er mit geöffnetem Mund und freudig strahlenden Augen immer und immer weiter im Kreis – ganz so, wie es Kinder gerne an den Haltestangen in Bussen und Bahnen tun. Läuft Ruzuzi zu schnell, dann wirft es ihn aus der Kurve. Dann kullert er in die umstehenden Hecken, wühlt sich aber sofort wieder heraus und beginnt sein Spiel von Neuem. Kabirizi schaut ihm gelassen zu, es scheint fast so, als ob er sich wundere, dass Ruzuzi nicht von seinem Treiben ablässt, obwohl sich der Ablauf doch unaufhörlich wiederholt.
    Plötzlich ändert sich die Haltung des Silberrückens. Ließ sein sitzender Körper eben noch mit ruhenden Muskeln jede Spannung vermissen, so streckt er

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