Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
zu. Es waren wohl Rebellen. Gegen drei Uhr nachts kamen etwa 100 Mann. Sie haben den Weiler umzingelt und schließlich das Feuer eröffnet. Das Camp bietet kaum Möglichkeiten, sich zu verschanzen. Die 33 Ranger brachten ihre Frauen und Kinder im Schutz der Dunkelheit in den Busch. Schüsse knatterten durch die Nacht. Dann plünderten die Banditen, rafften zusammen, was sie greifen konnten, und zogen wieder ab. Sie haben Solarkollektoren erbeutet, Medikamente aus der Krankenstation, Lebensmittel aus der Kantine, Hausrat aller Art – und zehn Gewehre. Dass die Rebellen die Waf fen erbeutet haben, ist besonders schmerzlich, denn nun sind die Ranger noch schlechter gegen erneute Angriffe gerüstet. Und die werden kommen.
Ein Wildhüter ist tot. Ein weiterer schwer verletzt. Er ist auf dem Weg nach Rutshuru ins dortige Krankenhaus. Eine Kugel hat ihm den Hinterkopf zertrümmert. Es sieht böse aus.
Der Tote liegt hinter einem Verschlag, der sich neben zwei Hütten zwischen die Büsche duckt. Robert sieht eine Frau auf der Erde sitzen, die den Kopf eines Mannes in grüner Uniform in ihrem Schoß hält. Ihr Oberkörper wippt vor und zurück. Sie weint und murmelt unverständliche Sätze. Immer wieder stöhnt sie auf oder stößt verzweifelte Rufe aus. Ihre Hände umklammern den Kopf ihres Mannes, ihre Finger krallen sich in sein schwarzes Haar. Die Schüsse der Angreifer haben Rücken, Brust und Arme des Mannes durchlöchert. Nur wenig Blut hat die Uniform an einigen Stellen dunkel gefärbt. Er muss sofort tot gewesen sein. Sein Herz hatte wohl unmittelbar zu schlagen aufgehört und pumpte so kein Blut mehr in die Wunden. Eine makabre Gnade. Wenigstens ein schneller Tod. Robert steht bei der Frau und betrachtet sie. Er ringt mit seiner Fassung. Die Ranger werden sich um sie kümmern, erfährt er, und auch um die Beerdigung. Wie sie das machen wollen, fragt Robert. Woher bekommen sie beispielsweise einen Sarg? Selbst Särge sind in Afrika ein nicht selbstverständlicher Luxus und dennoch enorm wichtig. Wenigstens die Beerdigung muss anständig sein. Alles andere ist beschämend für den Toten und seine Familie. Die Befragten schauen zu Boden und drucksen herum. Betreten malen sie mit den Fußspitzen Kreise in den Sandboden.
Schließlich hebt einer der Männer den Kopf. Die grüne Uniform, die um seinen dürren Körper schlackert, und seine hohlen Wangen erzählen von dem wenigen Essen, für das sein karger Lohn gerade reicht. Trübe Augen blicken Robert aus dem Schatten einer Schirmmütze an. Als er redet, erkennt man zwischen seinen hellen Zähnen eine schwarze Lücke. Sie nehmen die Sitzbänke und Tische aus der kleinen Schule, die sie gebaut haben, sagt der Ranger. Anderes Holz haben sie nicht. Mittlerweile müssen schon viele Kinder auf dem Boden sitzen. Und es werden immer mehr.
Robert sagt, dass sie damit aufhören sollen. Er wird helfen. Er verspricht, einen Sarg zu bezahlen. Er wird am ande ren Tag wiederkommen und Lebensmittel, Decken, Moskito netze, Töpfe, Pfannen und auch ein wenig Geld mitbringen. Auf der Rückfahrt geht er in Gedanken schon einmal die Liste durch, die er Dominique, dem geschäftstüchtigen Belgier, geben wird, damit er ihm eine Hilfslieferung zusammenstellt. Er wird außerdem die internationalen Hilfsorganisa tionen benachrichtigen. 38 Familien brauchen Unterstützung. Robert spricht auch mit dem Parkdirektor. Er versucht, ihn zu überzeugen, dass nun sein Moment gekommen ist. Jetzt ist es seine Pflicht, zu seinen Männern zu gehen. Er muss ihnen Mut machen. Der Direktor will nicht. Robert zählt alle Dinge auf, die er den Rangern und ihren Familien übergeben möchte. Der Direktor kann, wenn er will, alles persönlich überreichen. Seine Männer brauchen ihn. Sie lechzen nach ein wenig Anerkennung und Aufmunterung. Courage ist das Wort, mit dem sie sich selbst Mut zusprechen. Aber nach dem heutigen Überfall genügt das vielleicht nicht mehr. Jetzt muss ihnen ihr oberster Chef »Courage!« zurufen.
Robert erkennt, dass alles Reden nichts bewirkt. Der Parkdirektor lässt sich nicht dazu bewegen, in das Schutzgebiet zu fahren und zu seinen Angestellten zu sprechen. Stattdessen kommandiert er einen jungen Mann ab, der Robert begleiten soll. Bereits während der Fahrt nach Kabaraza wird Robert am nächsten Tag klar, dass dieser Kerl keine Ahnung hat. Ein Jungspund, frisch von der Universität. Er weiß nichts von den Problemen im Park, er kennt nicht eines der Rangercamps, geschweige denn
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