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Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Besitzerfreude verdorben, ja, er fühlte, daß dieses elende Hindernis tatsächlich den Besitz sowohl entwirklichte wie verringerte. Die Lösung dieses Problems war es, die ihm durch den Kopf geschossen war und ihn aufspringen ließ. Er sah sich sorgfältig forschend nach beiden Richtungen um. Es war nichts zu sehen, und er ging hinein.
    In wenigen Minuten hatte er den Tisch abgeräumt und die Waage darauf gesetzt. Auf die eine Waagschale legte er die gestempelten Gewichte, die fünfzehn Unzen ausmachten, und balancierte die Waage dann mit Goldstaub auf der andern Waagschale aus. Dann vertauschte er die Gewichte mit Goldstaub und hatte jetzt genau dreißig Unzen auf der Waage. Diese dreißig Unzen tat er dann in die eine Waagschale und balancierte sie wieder mit mehr Goldstaub aus. Jetzt war sein Vorrat an Goldstaub erschöpft, und er schwitzte stark. Er zitterte vor Entzücken und war überglücklich. Dennoch schüttelte er den Sack gründlich, um auch das letzte Stäubchen herauszubekommen, bis das Gleichgewicht gestört war und die eine Seite der Waage niedersank. Aber mit Hilfe von einigen wenigen Körnern, die er in die andere Schale legte, wurde das Gleichgewicht wieder hergestellt. Mit zurückgebogenem Kopf, starr vor Entzücken, stand er da. Der Sack war leer, aber die Möglichkeiten, die die Waage bot, waren jetzt unbegrenzt. Er konnte jeden Betrag auf ihr wiegen, vom kleinsten Gran bis zu vielen Pfunden. Mammon packte sein Herz mit brennenden Fingern. Die Sonne setzte ihren Weg nach Westen fort, bis sie durch die offene Tür hereinschimmerte und ihre Strahlen gerade auf die Waage mit ihrer goldenen Last fielen. Wie die goldenen Brüste einer bronzenen Kleopatra warfen die köstlichen Hügel das Licht mit sanfter Wärme zurück. Zeit und Raum existierten nicht mehr für ihn.
    »Donnerwetter – da hast du ja ein nettes Häufchen Gold, he?«
    Jacob Kent drehte sich um, während er gleichzeitig die Hand nach seiner doppelläufigen Büchse ausstreckte, die neben ihm stand. Als sein Blick aber auf das Gesicht des ungebetenen Gastes fiel, taumelte er schwindlig zurück.
    Das war ja der Mann mit der Schmarre!
    Der Mann betrachtete ihn neugierig.
    »Nur ruhig!« sagte er mit einer abwehrenden Handbewegung. »Du brauchst nicht zu fürchten, daß ich deinem verdammten Goldstaub etwas tue.
    Du bist ein komischer Kauz, weißt du«, fügte er nachdenklich hinzu, als er Jacob Kents zitternde Knie und den Schweiß sah, der ihm über das Gesicht troff.
    »Warum nimmst du dich nicht zusammen und sagst was?« fuhr er fort, während der andere mühsam nach Luft rang. »Hast du ein Schloß vors Maul gekriegt? Ist was in dir kaputt gegangen?«
    »W – w – wo hast du die gekriegt?« brachte Jacob Kent schließlich heraus, indem er mit seinem zitternden Zeigefinger auf die unheimliche Schmarre auf der Wange des andern wies.
    »Die hat mir ein Schiffskamerad mit einem Marlspiker versetzt. Und da du ja jetzt wieder zu dir gekommen zu sein scheinst, so möchte ich doch fragen, was das dich angeht. Das hätte ich gern gewußt – was geht das dich an? Zum Teufel – tut sie dir was? Ist sie nicht fein genug für einen Herrn wie dich? Das hätte ich gern gewußt!«
    »Nein, nein«, antwortete Jacob Kent, indem er mit einem krampfhaften Lächeln auf den Stuhl sank. »Ich dachte nur – «
    »Hast du je etwas Ähnliches gesehen?« fuhr der andere streitlustig fort.
    »Nein!«
    »Macht sie sich nicht hübsch?«
    »Ja.« Jacob Kent nickte beifällig, entschlossen, sich seinem merkwürdigen Gast zu fügen, aber vollkommen unvorbereitet auf den Ausbruch, der das Ergebnis seines Versuchs, sich angenehm zu machen, sein sollte.
    »Du verfluchter, grützefressender Sohn eines Seeigels! Wie kommst du dazu, zu sagen, die abscheulichste Verunstaltung, mit der Gott je einen Mann hat herumlaufen lassen, sei hübsch? Wie meinst du das, du – «
    Und dann stürzte sich dieser hitzige Mann des Meeres in einen Strom orientalischer Gotteslästerungen und brachte Gott und Teufel, Stammbäume und Menschen, Bilder und Ungeheuer auf so echt primitive Männerart durcheinander, daß Jacob Kent ganz gelähmt war. Die Arme wie zur Abwehr eines Schlages erhoben, fuhr er zurück. So vollkommen hilflos stand er da, daß der andere mitten in einem großartigen Satz innehielt und in ein Hohngelächter ausbrach.
    »Die Sonne hat der Schlittenspur den Boden weggeschmolzen«, sagte der Mann mit der Schmarre, als er vor Lachen wieder sprechen konnte. »Und ich hoffe,

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