Der Gott seiner Vaeter
gewöhnen muß. Du lieber Gott – ich vergesse nie das erste Mal, als ich auf der Schlittenfahrt war! Steif? Ich habe erlebt, daß es ganze zehn Minuten dauerte, bis ich den Mund von einem Wasserloch hochkriegte und wieder auf die Beine kam, und jedes Glied knirschte und knackte und stellte sich an, daß ich ganz verrückt wurde. Krämpfe? Ich bestand nur noch aus lauter Knoten, und es dauerte einen halben Tag, bis die andern mich wieder gerade kriegten. Du bist ganz brav – für solch einen jungen Burschen, und du hast das Herz auf dem rechten Fleck. Ehe das Jahr um ist, kannst du uns alte Kerle in Grund und Boden laufen. Und was das Beste ist, du hast nicht die Fettschicht, die schon so manchen tüchtigen Mann in Abrahams Schoß geschickt hat.«
»Fettschicht?«
»Ja, das ist etwas, das große und starke Leute haben. Starke Leute sind nämlich nicht die besten, wenn es Schlittenreisen gilt.«
»Das habe ich noch nie gehört.«
»Nie gehört – wie bitte? Na ja, das liegt nun so auf der Hand, daß man gar nicht davon zu reden braucht. Ein großer Körper kann ausgezeichnet für eine gewaltige Kraftanspannung sein, wenn er aber nicht aushält, dann ist er keinen sauren Hering wert, und Ausdauer und Körpergröße gehen nie zusammen im Geschirr. Es gehören kleine, abgehärtete Leute dazu, sie sich hinein verbeißen, wie ein hungriger Hund in einen Knochen. Teufel auch – die großen Männer können überhaupt nicht mitkommen!«
»Weiß Gott!« fiel Louis Savoy ihm ins Wort, »das nicht – was ihr sagen – Quatsch! Ich kennen ein Mann, ach, so groß wie ein Büffelochse. Beim Wettlaufen nach Sulphur Creek – ihn zusammen mit ein kleiner Mann, Lon McFane. Ihr kennen Lon McFane, kleiner Irländer, rotes Haar und grinst. Und sie gehen und gehen und gehen – ganzen Tag und ganze Nacht. Und der große Mann, ihn werden sehr müde und legen sich in Schnee. Und der kleine Mann stoßen und stoßen und stoßen, und dann schließlich nach langer Weg stoßen großer Mann in meine Hütte. Drei Tage vorher ihn kriechen aus meiner Pecke. Nie ich sehen großer Mann wie ihn. Nein, nie. Ihn haben, was ihr nennt Fettschicht. Weiß Gott.«
»Na und Axel Gundersen?« sagte Prince. Der große Skandinavier und die traurigen Umstände, unter denen er gestorben war, hatten einen tiefen Eindruck auf den Mineningenieur gemacht. »Er liegt irgendwo dort oben.« Er machte eine Handbewegung in der Richtung des geheimnisvollen Ostens.
»Das war der größte Mann, der je dem Salzwasser den Rücken gekehrt und einem Elch das Leben zum Leibe hinausgerannt hatte – nur durch seine Ausdauer, aber er ist auch die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Denkt an seine Frau, Unga – sie wog ihre hundertundzehn Pfund nackt, nur Muskeln und nicht ein bißchen überflüssiges Fett. Sie konnte es in jeder Beziehung mit ihm aufnehmen. Es gab nichts auf, über oder unter der Erde, was sie nicht fertiggebracht hätte.«
»Aber sie liebte ihn«, wandte der Ingenieur ein.
»Das ist es nicht. Es – «
»Hört nun, Brüder«, unterbrach sie Sitka Charley, der sich auf den Proviantkasten gesetzt hatte. »Ihr habt von der Fettschicht von großen Männern und von der Ausdauer und Liebe von Frauen gesprochen – und ihr habt weise Worte gesagt, aber ich entsinne mich an manches, das geschah, als das Land neu war und die Feuer der Männer so weit auseinanderlagen wie die Sterne des Himmels. Damals war es, daß ich mit einem großen Mann mit einer Fettschicht und einem Weibe zu tun bekam. Das Weib war klein, aber ihr Herz war größer als das Büffelherz des Mannes, und sie war mutig und ausdauernd. Und sie reisten einen langen, schlimmen Weg bis zum Salzwasser, und die Kälte war schneidend, der Schnee tief und der Hunger groß. Und die Liebe des Weibes war groß – mehr kann man nicht sagen.«
Er schwieg und hieb mit dem Beil kleine Stücke Eis von dem mächtigen Klumpen, der neben ihm lag. Die warf er in die Goldwäscherpfanne auf dem Ofen, wo das Trinkwasser auftaute. Die Männer rückten näher an ihn heran, und der Mann mit dem Krampf suchte vergebens Linderung für seinen steifen Körper.
»Brüder, mein Blut ist rot – Siwashblut – , aber mein Herz ist weiß wie das eure! Das Blut verdanke ich den Fehlern meiner Väter und das Herz den Tugenden meiner Freunde. Eine große Wahrheit setzte sich in mir fest, als ich ein Knabe war. Ich verstand, daß die Erde euch und den Euern gehörte und daß die Siwash euch nicht standhalten und wie Renntier
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