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Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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und daß sie dort als zwei Frauen miteinander gesessen und geredet hätten. Sie hatte etwas getan, das für unpassend galt, und sich herabgewürdigt, aber sie hatte gedacht, daß es mit den Frauen in der Stadt anders stände. Und sie schämte sich, daß sie sich einem solchen Hohn ausgesetzt hatte, und war sehr unfreundlich gegen Freda gestimmt.
    Nicht, daß Freda das verdient hätte. Frau Eppingwell war von ihrer Höhe herabgestiegen, um ihr zu begegnen, die außerhalb der Kasten stand, und das hatte Freda mit ihrer Kenntnis der Traditionen, in denen sie einmal erzogen war, nicht zugeben wollen. Sie konnte eine solche Frau anbeten und hätte sich keine größere Freude denken können, als sie in ihre Hütte zu bitten und mit ihr zusammenzusitzen – nur eine Stunde zusammenzusitzen. Aber ihre Achtung vor Frau Eppingwell und ihre Achtung vor sich selber, die kein anderer achtete, hatte sie verhindert zu tun, was ihr höchster Wunsch war.
    Obwohl sie sich noch nicht ganz von dem Besuch erholt hatte, den ihr kürzlich die Frau des Pastors, Frau McFee, abgestattet hatte, die wie ein Wirbelwind von Ermahnungen und Höllenqualen in ihr Dasein eingebrochen war, konnte sie sich doch nicht denken, was der Anlaß zu Frau Eppingwells Besuch war. Sie war sich nicht bewußt, etwas besonders Schlimmes getan zu haben, und diese Frau, die vor ihrer Tür wartete, konnte sich doch unmöglich um das Heil ihrer Seele bekümmern. Was wollte – sie? Aber trotz der Neugier, die sie nicht bezwingen konnte, verhärtete sie ihr Herz mit dem Stolz, der der Stolz der Demütigen ist, und sie lag zitternd wie ein junges Mädchen unter dem ersten Kuß des Geliebten in ihrem innersten Zimmer. Wie Frau Eppingwell, als sie den Hügel hinanschritt, so litt auch sie, wie sie im Bette lag, das Gesicht in die Kissen gepreßt, stumm, mit trockenen Augen und trockenen Lippen.
    Frau Eppingwell war Menschenkennerin und bemühte sich, alles und alle zu verstehen. Es war ihr leicht geworden, den Schritt von der Zivilisation weg zu tun und die Dinge von einem historischen Standpunkt aus zu sehen. Sie konnte gewisse primitive Eigenschaften an einem hungrigen Wolfshund und an einem Mann in derselben Situation verstehen und gewisse Linien vorausbestimmen, denen beide unter gleichen Bedingungen folgen würden. Für sie war Weib Weib, ob sie nun in Purpur oder in die Lumpen des Rinnsteins gekleidet war, und Freda war ein Weib. Es hätte sie nicht überrascht, wenn sie in die Hütte der Tänzerin geführt und von ihr wie ihresgleichen empfangen worden wäre, es hätte sie auch nicht überrascht, wenn sie mit einem Hochmut empfangen worden wäre, der keinen Stolz enthielt. Aber so behandelt zu werden, das war ihr sowohl unerwartet wie enttäuschend. Also hatte sie den Standpunkt Fredas nicht verstanden. Ja, es gibt gewisse Standpunkte, die man sich nicht ohne viel Schmerz und persönliche Kreuzigung aneignen kann, und es ist nur gut, daß Frauen von Frau Eppingwells Typ in gewissen Punkten nicht alles und alle verstehen. Man weiß nichts von Besudlung, wenn man nicht Pech angerührt hat, der schwer wieder abzuwaschen ist, und es gibt Menschen genug, die bereit sind, das Experiment zu machen. Alles das hat nur insofern Bedeutung, als es Frau Eppingwell Kummer bereitete und die Ursache wurde, daß die Griechin sie noch mehr liebte.

    Und so ging es denn einen ganzen Monat lang. Frau Eppingwell bemühte sich, den Mann von der verführerischen griechischen Tänzerin fernzuhalten, bis Flossie käme; Flossie legte jeden Tag soundso viele Meilen der traurigen Strecke zurück; Freda kämpfte aus aller Macht mit dem früheren Modell, das seinerseits wieder jeden Nerv anspannte, um den Preis zu gewinnen, und der Mann kam sich dabei wie eine Spinne im Netz vor und war sehr stolz, weil er sich für einen zweiten Don Juan hielt.
    Kein anderer als der Mann selbst war schuld daran, daß Loraine Lisznayi ihn schließlich fing. Es ist möglich, daß die Wege des Mannes einer Frau gegenüber unerforschlich sind, aber die Wege einer Frau einem Manne gegenüber sind jenseits aller Weisheit, und deshalb wäre wahrlich der ein schlechter Prophet, der vorauszusagen wagte, was Floyd Vanderlip nur vierundzwanzig Stunden später tun würde. Vielleicht bestanden die Verlockungen des früheren Modells darin, daß sie wie ein herrliches Tier anzuschauen war, vielleicht bezauberte sie ihn mit dem Gerede von Fürsten und Palästen der alten Welt; jedenfalls aber verblendete sie ihn, der sein

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