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Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Gültigkeit.
    Diese beiden Frauen waren, jede auf ihre Art, Männereroberinnen und Männerbezwingerinnen, und ihre Art war verschieden. Frau Eppingwell herrschte in ihrem Haus und in der Kaserne, wo sie ein Segen für jüngere Söhne, und erst recht für die höheren Polizeibeamten, sowohl für die ausübenden wie gerichtlichen, war. Freda herrschte in der Stadt, aber die Männer, über die sie herrschte, waren dieselben, die bei gesellschaftlichen Anlässen in der Kaserne auftraten und mit Tee und Eingemachtem von Frau Eppingwell in ihrer aus roh zugehauenen Stämmen erbauten Hütte oben auf dem Hang bewirtet wurden. Jede kannte die Existenz der andern, aber ihre Lebensbahnen waren so verschieden und lagen so weit auseinander wie die Pole, und wenn sie auch zufällig hin und wieder voneinander hörten und neugierig waren, so hatte doch niemand sie je eine Frage stellen hören. Und es hätte keine Schwierigkeiten gegeben, wäre nicht eine Dritte in die Stadt gekommen, und zwar ein Modell. Sie kam auf dem ersten Herbsteis mit einem flotten Hundegespann und einer Art kosmopolitischer Berühmtheit. Loraine Lisznayi – alliterativ, dramatisch, von ungarischer Herkunft – gab den Anlaß zum Streit, und es war ihre Schuld, daß Frau Eppingwell von ihrem Haus auf dem Hang herab- und Freda aus der Stadt hinaufkam, um Verwirrung und Verlegenheit auf dem Ball des Gouverneurs zu verbreiten.
    Alles dies ist vielleicht eine altbekannte Geschichte in Klondike, aber selbst in Dawson gibt es nur sehr wenige, die wissen, wie es sich in Wirklichkeit verhielt, und auch hier gibt es bis auf ganz wenige Ausnahmen keinen, der der Hauptmannsgattin und der griechischen Tänzerin Gerechtigkeit angedeihen läßt. Und die Ehre dafür, daß jetzt alle Gelegenheit erhalten, zu verstehen und zu urteilen, gebührt Sitka Charley. Er war es, der die meisten Einzelheiten in dem hier folgenden Bericht offenbart hat. Es stimmt nicht, daß Freda ihr Herz einem einfachen Zeitungsschmierer geöffnet oder daß Frau Eppingwell über das Geschehene gesprochen hätte. Es ist möglich, daß sie sich ausgesprochen haben, aber nicht wahrscheinlich.
    Floyd Vanderlip war ein starker Mann – scheinbar. Schwere Arbeit und wenig Essen schreckten ihn nicht, wenigstens ging das aus den Berichten über sein Leben in den ersten Jahren, nachdem er ins Land gekommen war, hervor. In der Gefahr war er ein Löwe, und als er einmal fünfhundert ausgehungerte Männer im Schach gehalten hatte, hieß es, daß niemand je mit größerer Kaltblütigkeit das Sonnenlicht auf einem Büchsenlauf hatte spielen sehen. Er hatte nur eine Schwäche, und selbst die war eine Folge seiner Stärke und eigentlich eine negative Schwäche. Er hatte einen starken Charakter, aber er konnte sich nicht einordnen. Er war ausgesprochen erotisch, aber dieser Instinkt hatte in ihm geschlummert und war in den Jahren, als er von Elchfleisch und Lachs lebte und über vereiste Wasserscheiden auf die Jagd nach schimmernden Eldorados ging, nicht zur Entfaltung gelangt. Als er aber endlich einen der reichsten Claims in Klondike entdeckt hatte, begann sich die Erotik in ihm zu regen, und als er seinen Platz als ausgewachsener Bonanza-König in der guten Gesellschaft einnahm, erwachte sie ganz und machte sich zu seinem Herrn. Er erinnerte sich plötzlich eines jungen Mädchens in den Vereinigten Staaten, und ihn überkam nicht nur das Gefühl, daß sie auf ihn warten mochte, sondern auch, daß eine Frau etwas sehr Angenehmes für einen Mann sei, der mehrere Breitengrade nördlich vom dreiundfünfzigsten lebte. Folglich schrieb er einen entsprechenden Brief, legte ein Akkreditiv ein, das genügte, um alle Ausgaben einschließlich Aussteuer und Anstandsdame zu decken, und adressierte ihn an eine gewisse Flossie. Flossie! Den Rest konnte man sich denken. Hierauf erbaute er sich eine sehr geräumige Hütte auf seinem Claim, kaufte sich eine andere in Dawson und erzählte die Neuigkeiten seinen Freunden.
    Aber gerade hier begann sein Mangel an Anpassungsfähigkeit sich geltend zu machen. Die Wartezeit war lang, und das erotische Element in ihm, das er so lange zurückgedrängt hatte, wollte sich keinen weiteren Aufschub gefallen lassen. Flossie war unterwegs, aber Loraine Lisznayi war am Ort. Und nicht nur, daß Loraine Lisznayi am Ort war, ihre kosmopolitische Berühmtheit war ein wenig abgegriffen, und sie war nicht mehr so jung wie zu der Zeit, da sie künstlerisch begabten Königinnen Modell stand und den Besuch

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