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Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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näher auf ihn zu. Sie hob die schwarze Seidenmaske und ließ sie gleich wieder fallen. In einer einzigen Sekunde, die wie eine Ewigkeit war, sah er ihr Gesicht. Nicht umsonst hieß es im Lande, daß Freda mit Männern spielte wie ein Kind mit Seifenblasen. Es wurde nicht ein einziges Wort gesprochen. Prince trat beiseite, und ein paar Minuten später konnte man ihn sehen, wie er rot und stotternd um Entlassung von dem Posten bat, den er verraten hatte.

    Eine anmutige Frauengestalt, schlank und mit einer gewissen rhythmischen Kraft in jeder Bewegung ging rastlos und suchend unter den heiteren Gästen umher. Bald blieb sie bei einer Gruppe stehen, bald sah sie forschend eine andere an, und die Männer erkannten ihr Pelzwerk und wunderten sich – Männer, die dem Türhüterkomitee hätten angehören sollen, aber nichts sagen wollten. Anders stand es mit den Frauen. Sie hatten einen schärferen Blick für die Linien der Gestalt und die Eigentümlichkeiten der Haltung, und sie wußten, daß dies eine Gestalt war, die sie nicht kannten, so wenig wie sie das Pelzwerk kannten. Frau McFee, die aus dem Zimmer kam, wo das Souper eingenommen werden sollte – sie hatte dort alles in Ordnung gefunden – , sah die flammenden, suchenden Augen hinter den Öffnungen der seidenen Maske und erschrak. Sie versuchte sich zu erinnern, wo sie solche Augen gesehen hatte, und in ihrer Erinnerung tauchte das deutliche Bild einer stolzen, aufrührerischen Sünderin auf, die sie einmal bei einem fruchtlosen Versuch, im Dienste des Herrn zu arbeiten, getroffen hatte.
    So kam es, daß die brave Frau sich in flammendem, gerechtem Zorn auf die Suche begab und schließlich denn auch Frau Eppingwell und Floyd Vanderlip fand. Frau Eppingwell hatte soeben die gesuchte Gelegenheit gefunden, mit dem Mann zu reden. Sie hatte beschlossen, jetzt, da Flossie so nahe war, direkt auf die Sache loszugehen, und wollte ihm gerade eine scharfe kleine Vorlesung über Ethik halten, als sie aus zweien drei wurden. Sie fühlte sich angenehm berührt von dem leicht ausländischen Klang des Wortes »Verzeihung«, womit die pelzgekleidete Dame sofort Beschlag auf Floyd Vanderlip legte, und mit einem höflichen Neigen des Kopfes gab sie zu verstehen, daß sie ein wenig beiseite treten könnten.
    Aber da geschah es, daß Frau McFee in gerechtem Zorn eingriff, und im nächsten Augenblick wurde einer erschrockenen Frau die Maske vom Gesicht gerissen. Ein herrliches Gesicht und ein Paar strahlende Augen offenbarten sich den ruhigen, neugierigen Blicken, die sich aus dem ganzen Saal auf sie richteten. Floyd Vanderlip war recht verdutzt. Die Situation erforderte ein entschlossenes Auftreten von einem Mann, der Herr der Situation war, während er kaum wußte, ob er auf dem Kopf oder auf den Beinen stand. Er sah sich völlig hilflos um. Frau Eppingwell war ganz verwirrt. Sie konnte nichts verstehen. Eine Erklärung war erforderlich, und die gab Frau McFee.
    »Frau Eppingwell«, sagte sie mit schriller Stimme, »es ist mir ein großes Vergnügen, Sie mit Freda Moloof bekanntzumachen, Fräulein Freda Moloof, wenn ich recht verstanden habe.«
    Freda wandte sich unwillkürlich um. Wie sie mit entblößtem Gesicht dastand, fühlte sie sich wie in einem Traum, nackt, mitten in dem maskierten Kreis, dessen bedeckte Gesichter und funkelnde Augen ihr zugekehrt waren. Es schien ihr fast, als sei sie von einem hungrigen Wolfsrudel umgeben, das sich auf sie stürzen wollte. Sie dachte, daß sie dem einen oder dem andern vielleicht leid täte, und der Gedanke machte sie hart. Sie zog bei weitem ihre Verachtung vor. Mutig war sie, diese Frau, und obwohl sie die Beute gejagt hatte, bis sie mitten im Rudel stand, wollte sie sie nicht lassen – trotz Frau Eppingwell.
    Aber da tat Frau Eppingwell etwas Ungewöhnliches. Da ist also endlich Freda, dachte sie – Freda, die Tänzerin, die Männer ruiniert, die Frau, von deren Tür ich weggewiesen wurde. Sie fühlte die Nacktheit dieses stolzen Geschöpfes, als wäre es ihre eigene gewesen. Vielleicht war es ihre angelsächsische Abneigung, einem widerstandslosen Feind zu begegnen, vielleicht – ja, wahrhaftig, vielleicht war es die Hoffnung, daß es ihr größere Kraft im Kampf um den Mann verleihen könnte, und vielleicht war es beides, aber wie dem auch sei, sie tat etwas Merkwürdiges. Als Frau McFee ihre dünne Stimme, von Bosheit zitternd, erhoben und Freda sich unwillkürlich umgewandt hatte, wandte auch Frau Eppingwell sich um, nahm ihre

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