Der Gott von Tarot
kosteten, als sich die Gesundheitsämter leisten konnten. Daher war der Gebrauch recht sicher, und es wurde viel danach verlangt.
Es gab eigentlich nur drei Nachteile von Mnem: Zunächst einmal war es illegal. Das machte aber nur wenigen etwas aus; wann immer die Moral in Konflikt mit der Bequemlichkeit geriet, unterlag die Moral. Zweitens war es wie alle abhängig machenden, illegalen Drogen teuer; die Kosten entstanden nicht bei der Produktion, sondern bei dem illegalen Verteilungssystem. Das machte schon mehr Leuten etwas aus, aber nicht so vielen, um den Gebrauch ernsthaft zu unterbinden. Das kriminelle Element, wie auch das Busineß-Element, hatten ein scharfes Auge dafür, was der Markt hergab. Eigentlich waren sich die Fähigkeiten und Skrupel beider Elemente ähnlich und überlappten sich beträchtlich. Das Mnem-Kartell bot jenen mit einem kritischen Bedürfnis danach anregende Möglichkeiten an, wie auch Paul selber. Denn er hatte nach der Universitätszeit einen Nutzen für Mnem gefunden. Drittens: Mnem-Entzug verursachte nicht allein den Verlust der durch Drogen intensivierten Gedächtnisleistung, sondern einen allgemeineren mnemonischen Verfall, der zu Desorientierung und unregelmäßigen Krankheitsbildern führte. So war die Sucht also weder psychisch noch physiologisch, sondern praktisch: Einmal süchtig geworden, konnte ein Benutzer ohne Mnem nicht mehr richtig funktionieren. Das machte den meisten Leuten etwas aus, aber sie neigten dazu, nicht darüber nachzudenken. Es war das Paradoxon von Mnem, Thema vieler Späße, daß es die Leute dazu brachte, den Hauptnachteil zu vergessen, während es ihr Gedächtnis ungeheuer schärfte.
Daher riskierte Paul seine Freiheit, indem er diese Ladung über die Staatsgrenzen fuhr. Er hatte die Droge benutzt, um auf diesem Gebiet Experte zu werden; nun konnte er diese Gewohnheit nur aufrechterhalten, indem er mit den Lieferanten kooperierte. Glücklicherweise war es nicht nötig, daß eine bestimmte Person dies oftmals unternahm; der Grund war allerdings nicht die Sorge um das Wohlergehen dieser Person, sondern eine Vorsichtsmaßnahme gegenüber den Behörden. Es würde bis zu einem Jahr dauern, bis Paul wieder fahren mußte, und in der Zwischenzeit wurde er kostenlos mit Mnem versorgt. Das war wirklich ein gutes Geschäft.
Am Rand der Autobahn stand jemand; es schien eine weibliche Gestalt zu sein. Die anderen Autos fuhren vorbei, natürlich, denn es war gefährlich, einen Tramper mitzunehmen, ob nun Frau oder Mann. Paul allerdings wurde manchmal unruhig, wenn er auch nicht oft fuhr, denn diese lange Fahrt langweilte ihn. Mit ein wenig Gesellschaft wäre es anders, besonders mit weiblicher Gesellschaft.
Er hielt an. Das Mädchen sah ihn und rannte herbei. Sie war jung, wahrscheinlich noch unter zwanzig, aber überraschend gut entwickelt. Ihre Kleider waren unordentlich und komisch; eigentlich trug sie nur eine Art dünnes Nachthemd, das ihre wogende Brust erotischer umhüllte, als habe sie sich bewußt entkleidet. Ein natürliches Mädchen in unnatürlicher Umgebung.
„Oh, danke!“ keuchte sie, als sie auf den Beifahrersitz stieg. „Ich hatte schon Angst, niemand würde anhalten, ehe die Polizei kommt.“
„Die Polizei?“ fragte er, plötzlich nervös. Wenn sie eine Kriminelle war …
„Oh, bitte, Sir … fahren Sie los!“ rief sie. „Ich werde alles erklären. Es ist alles in Ordnung. Es wird keinen Ärger für Sie geben – aber fahren Sie bitte weiter. Bitte!“
Aber er zögerte und blieb weiter stehen. „Ich habe nicht genug Geld bei mir, daß es sich lohnen würde, nur eine verschlüsselte Kreditkarte, die Ihnen
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