Der Gott von Tarot
würde ihn als Mnem-Süchtigen erkennen. Man merkte es immer irgendwie an der Leidenschaft für das Bumsen. Alle Süchtigen und Dealer waren sich darin einig, und man hatte ihn schon einmal auf diese Weise erkannt. In jenem Fall hatte die Frau nicht die Absicht gehabt, ihn anzuzeigen, aber sie hatte sich hartnäckig geweigert, ihm mitzuteilen, was ihn verraten hatte. „Frauen haben ihre Geheimnisse“, hatte sie nur geflüstert ‚Männer hatten auch welche, aber ihm war es nie gelungen, einen anderen Mnem-Süchtigen ausfindig zu machen. Wahrscheinlich ging es mit mehr Erfahrung – aber er kam vom Thema ab, wie es bei ihm immer geschah. Wenn ‚Schwester Beth’ ein Polizeiköder war, würde Sex für sie nichts bedeuten; sie würde gleich darauf zu ihren Anti-Schwangerschafts-, Anti-Geschlechtskrankheit- und Anti-Allergiespritzen wandern. Wahrscheinlich hatte sie vor, ihn durch ihre künstlichen Proteste zu verführen, um dann die verräterischen Spuren zu entdecken.
„Ich kann dich gleich hier rauswerfen“, sagte er. Er legte die rechte Hand auf ihren glatten Schenkel, wo das Nachthemd hochgerutscht war. Das war genau das gleiche Bein, das er … wo gesehen hatte? Und der durchsichtige Stoff ließ es aufregender erscheinen, als wenn es nackt gewesen wäre. Das Bein war von klassischer Form wie der Rest von ihr auch. Plötzlich wurde der Sexualtrieb fast überwältigend. Vielleicht war es wirklich den Verrat wert …
„Bitte“, flüsterte sie. Er sah den Stoff über ihrem Busen unter ihrem Herzschlag auf und ab tanzen. Natürlich protestierte sie; das war Teil ihrer Rolle. Die Aufregung konnte sogar echt sein, weil sie kurz davorstand, ihn festzunageln. Welcher normale Mann konnte einem solchen Leckerbissen wohl widerstehen, der so provokativ verpackt war und eine so unglaubwürdige Geschichte erzählte? Ein Mädchen, das vor der Deprogrammierung floh, bereit, alles zu tun, um mitfahren zu dürfen, unfähig, sich sogar gegen eine Vergewaltigung zu wehren – sollte sie doch durch die Droge ausgelöscht werden. Ein anständiger, rechtschaffener Bürger würde sie anzeigen, ein weichherziger sie bis zur Station mitnehmen. Ein harter und krimineller würde seinen Vorteil nutzen.
Paul gehörte zu keiner dieser drei Sorten. Nicht genau jedenfalls. Er war dabei, sich zu beweisen. Er drehte sich herum, um auf die STOP-Taste zu drücken, und der Wagen wurde langsamer, suchte sich den Weg aus dem Verkehrsstrom und blieb am Straßenrand stehen. Die Sitze richteten sich zur normalen Position auf, und die Gurte lösten sich. „Wiedersehen“, sagte Paul.
Schwester Beth blickte in überrascht an. In dem Blick lag noch etwas anderes. „Tut mir leid, wenn ich Ihre Erwartungen enttäuscht habe“, sagte sie rasch, und dann stieg sie schnell aus. „Gott segne Sie, Mr. Cenji.“
Gott segne Siel Diese unvertrauten Worte berührten ihn recht sonderbar. Selbst ihm, dem Brutalo, schenkte sie diesen Segen. War sie vielleicht doch echt?
Die Tür schloß sich. Automatisch drückte er auf FAHRT, und der Wagen glitt weiter, immer noch selbstgesteuert. Paul drehte sich um, um ihr nachzusehen.
Verloren und schön stand Schwester Beth am kiesigen Straßenrand. Der Wind zerrte an ihrem Haar und Gewand. Paul spürte einen heftigen Trieb zurückzukehren, um sie wieder mitzunehmen – und zur Hölle mit allen Konsequenzen. Es gab immer noch die Chance, daß sie echt war …
Dann sah er, wie sich eine Verkehrsstreife ihr näherte. Die Polizei hatte sie ausfindig gemacht und würde auch ihn finden, wenn er sich nicht beeilte. Er tauchte im Verkehrsgewühl unter und schwitzte. Wahrscheinlich sendete sie ein bestimmtes Zeichen aus, damit ihre Chefs immer wußten, wo
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