Der Gott von Tarot
entschuldigend. „Ich hätte nie gedacht, daß sie so was machen würde, sonst hätte ich sie gefesselt.“ Er berührte die Handschellen, die wie Genitalien in seiner Lendengegend hingen.
Paul wurde skeptisch. Das konnte sie doch nicht sein! Er hatte sie erst gestern gesehen. Sie war ein Polizeiköder mit guter Tarnung gewesen. Dann verspürte er Wut. Wie konnte das passiert sein? Warum hatte die Polizei nicht richtig auf sie aufgepaßt? Aber selbst wenn sie es getan hätte, wäre sie jetzt tot, weil man ihr das gesamte Erinnerungsvermögen ausgelöscht hätte.
War es Teil des Planes gewesen? Nein, das ergab keinen Sinn. Keine Polizistin würde ihre Tarnung durch eine solche Information aufgeben, selbst wenn der Tod fingiert war. Ihr Bild würde die potentiellen Opfer aufreizen. Man konnte sich zu gut an sie erinnern, mit ihrem schönen Körper, dem unschuldigen Gesicht. Ein männlicher Traum vom Himmel. Sie mußte echt gewesen sein – und daher war sie nun tot.
Warum hatte er ihr nicht geglaubt, an sie geglaubt, als es darauf angekommen war? Er wußte warum; er stand jeder Rechtmäßigkeit einer religiösen Vereinigung zynisch gegenüber. Er hatte die unsäglich selbstsüchtigen Appelle der religiösen Botschaften noch im Ohr: Unterstütze uns, gib uns Geld, damit du in den Himmel kommst und auf immer gesegnet sein wirst, Freiheit von der Sünde. Diese Sachen. Wie jemand gleichzeitig den Segen und Freiheit von Sünde erlangen konnte, war ihm ein Rätsel.
Aber Schwester Beth hatte einen anderen Eindruck gemacht – als glaube sie wirklich an die spezielle Rettung, die sie suchte. Sie hatte nicht ein einziges Mal den Himmel angerufen. Wenn er doch nur auf ihre Worte geachtet hätte, anstatt auf ihren Körper zu achten!
Aber wenn sie wirklich eine Schwester gewesen war, warum hatte ihr Gott sie nicht beschützt? Sicher hätte er den Behörden einen Handel vorschlagen können. Irgendwie hätte er es so drehen können, daß sie sich wieder erholt hätte. Es war nur wichtig, daran zu glauben …
Paul glaubte nichts. Er war der Grund ihres Todes. Er hatte sie sexuell angegriffen und sie wieder auf die Straße geworfen. Sie hatten schon auf sie gewartet und rasch zugestoßen.
Wenn er ihr nur so getraut hätte wie sie ihm. Er hätte sie leicht und sicher bei ihrer Station abliefern können. In der letzten Zeit hatte er selten anständig gehandelt. Da hatte sich ihm die Möglichkeit geboten, einem besseren Menschen zu helfen, als er selber war, und statt dessen …
„Sir, Ihr Bericht wurde bestätigt“, informierte ihn die Sekretärin mit süßer Stimme.
Paul sah sie an und erblickte für einen Moment das Bild von Schwester Beth. In ihm kochte etwas Schreckliches hoch, eine Depression, die an Gewalttätigkeit grenzte. Aber was konnte er tun? Das war nur eine gewöhnliche Sekretärin, eine konforme Hülle über einer gestaltlosen Seele, nicht einmal einer flüchtigen Aufmerksamkeit wert. Schwester Beth war tot.
Unvermittelt und mit einem schrecklichen Entschluß stand Paul auf. „Ich schließe meinen Bericht“, sagte er. „Alle früheren Taten sollen ohne Vorurteil aufgehoben und vergessen sein.“
Sie zuckte niemals zusammen. Warum sollte sie auch? Sie war zwar aus Fleisch und Blut, hatte aber den Kopf eines Roboters. „Das wird die Geschäftsleitung aber bestätigen müssen“, sagte sie.
„Ich scheiß auf die Geschäftsleitung.“ Er wirbelte herum und ging hinaus.
Draußen traf ihn die volle Wucht dessen, was er gerade getan hatte. In der Sprache seiner Branche hatte er die Magnaten davon informiert, daß er kündigte, keine Ablösesumme erwartete und nicht zur Polizei gehen würde. Mit Mnem war er
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