Der Gott von Tarot
sie war. Da war er aber knapp davongekommen.
Doch unvermittelt wiederholte er ihre Worte: „Gott segne Sie.“ Er glaubte weder an Gott noch an Schwester Beth, doch die Kraft dieses unerwarteten Segens erschütterte ihn.
Ohne weitere Ereignisse beendete Paul seine Reise und lieferte den Wagen wieder ab. In dem üppigen Büro wartete er auf seine Bezahlung – in Form eines erhöhten Kredits, der ihm inoffizielle, aber wertvolle Vorteile bei einer Reihe von ungesetzlichen Geschäften verschaffte, und natürlich in Form eines neuen Vorrats an Mnem, verborgen in der Höhlung seines Taschenkamms. In dem Lagerhaus dauerte es eine Weile, bis das Auto ausgeladen und die Reinheit und Echtheit des Stoffes überprüft war, und gleiches galt für die Sicherheitsmaßnahmen, die gewährleisten sollten, daß keine Polizei dem Fahrzeug auf den Spuren war. Sobald sie in geschäftlicher Manier alles gecheckt hatten, würden sie sich mit ihm befassen. Das war eine höchst professionelle Organisation.
Die gesamte Schwarzmarkt-Mnem-Industrie war höchst professionell organisiert – stärker als viele rechtmäßige Unternehmen. Paul war allmählich dort hineingeraten; seine Lebensphilosophie hatte sich ebenso allmählich den Bedürfnissen seines höheren Lebensstandards angepaßt. Er hatte die Universität mit einem Abschluß der Philosophischen Fakultät verlassen, aber keine geeignete Anstellung gefunden. Da er geschickte Hände besaß, hatte er sich zu Kartentricks verdingt, und das hatte zu Kontakten zum legitimen Glücksspiel geführt. Eines der bekannten Spiele – eigentlich kein Glücksspiel, sondern mehr eine Übung für diejenigen, die sich noch nicht an die härteren Sachen trauten – war das mittelalterliche Tarochi, mit dem fünfundsiebzig Karten umfassenden Tarotspiel anstelle des dreiundfünfzig Karten umfassenden Standardspiels. Man hatte den Joker des Standardspiels zu zweiundzwanzig Trümpfen ausgebaut. Er hatte das Spiel anderen Spielen angepaßt, teils mit Glück, teils mit Geschick zu spielen. Ein wirklich gutes Gedächtnis verminderte den ersten Faktor und verstärkte den letzteren, was ihn zum Mnem gebracht hatte. Ein Kasino, das durch seine Siegesserie irritiert war, hatte versucht, ihn rauszuwerfen. Das war ein Fehler gewesen, denn Paul war in unbewaffnetem Kampf fast noch professioneller, als beim Kartenspiel. Der Geschäftsführer des Kasinos, der kein Feigling war, hatte rasch die Taktik gewechselt und Paul einen Job angeboten. Nun war Paul fein heraus, solange er nicht durchdrehte …
Gott segne Sie …
Auf dem Videogerät erschienen die Nachrichten. Plötzlich erregte eine Information seine Aufmerksamkeit. „Letzte Nacht beging eine junge Frau Selbstmord, indem sie sich aus einem Polizeihubschrauber stürzte“, sagte der Sprecher. „Man hat sie als Schwester Beth identifiziert, seit einem Jahr Mitglied der Station einer religiösen Sekte, dem Heiligen Orden der Vision. Offensichtlich war sie deprimiert über den Plan, sie mit Hilfe von Drogen wegen eines Juwelendiebstahls zu deprogrammieren …“
„Sie hat aber die Juwelen nicht gestohlen!“ rief Bruder Paul, merkte dann aber, was er tat, und fühlte sich albern. Auf dem Bildschirm flackerte ein Foto auf. Es war das Mädchen, das er mitgenommen hatte, fast genauso, wie er sie zuletzt gesehen hatte, und ihr durchsichtiges Nachthemd flatterte im Wind. Auch Robokameras hatten ein scharfes Auge für Details, besonders wenn es um etwas richtig Morbides ging wie den Tod.
„Sie wirkte so ruhig“, meinte ein uniformierter Polizeibeamter
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