Der Gott von Tarot
Gegenwart Ihnen keine Unannehmlichkeiten oder Verlegenheiten verursacht.“
Nun lächelte Siltz aufrichtig. „Wir wissen von Ihrem Orden. Sie zu beherbergen wird uns eine vornehme Aufgabe sein.“
Die Annahme war also die richtige Entscheidung gewesen. Vielleicht war man in Furcht vor einer Zurückweisung so muffig gewesen, um nicht das Gesicht zu verlieren, wenn Bruder Paul das Erwartete tat. Aber es konnte auch einen anderen Grund haben, wie etwa diese offensichtliche Individualität von Göttern, als habe jede Religion ihre eigene Gottheit. Bruder Paul betete insgeheim, daß er hier nicht allzu viele falsche Entscheidungen traf. Wie gut, daß sich der Ruf seines Ordens auch auf einem so fernen Planeten verbreitet hatte. Natürlich konnte diese Kolonie wie alle anderen in der menschlichen Sphäre kaum älter als vier, fünf Jahre sein. So konnten die Kolonisten ihre Kenntnis über religiöse Sekten von der Erde mit hierhergetragen haben. Es war also kein Wunder.
Pfarrer Siltz drehte sich rasch herum, um zu dem Kapselempfangsgebäude herüberzusehen. Seine Bewegung und Haltung dabei erinnerten Bruder Paul entfernt an den Knochenbrecher. „Nun müssen wir ausladen, ehe sie wieder rückübertragen wird. Ist es eine gute Ladung?“
„Nähmaschinen, Spinnräder, Öfen“, zählte Bruder Paul auf, während sie auf das Gebäude zugingen. „Schleifgerät, Äxte …“
„Gut, gut“, meinte Pfarrer Siltz. „Man hat Sie gut ausgestattet.“ Man hörte ein für Bruder Paul überraschendes Gemurmel der Zustimmung. Ihm kam ein zweischichtiger Gedanke in den Sinn: Zunächst fühlte er sich darin bestätigt, daß er hier nicht recht willkommen war – also hatte man ihn ‚ausgestattet’, als sei er eine häßliche Braut, die man mit einem Geldgeschenk versieht, um ihn und seinen Auftrag schmackhaft zu machen. Zweitens gab ihm die Reaktion auf die Ladung zu denken. Natürlich waren solche Gegenstände nützlich, doch spürten diese Kolonisten kein Verlangen nach entwickelteren, zivilisierteren Produkten?
Die nächsten zwei Stunden lang luden sie aus. Es war eine schwere Arbeit, doch niemand drückte sich; alle Männer waren kräftig, und Pfarrer Siltz erwies sich als ebenso tatkräftig wie alle anderen. Doch die ganze Zeit über war sich Bruder Paul einer bestimmten Vorsicht bewußt, die sich nicht gegen ihn richtete, sondern zwischen den Kolonisten selber vibrierte, als traue niemand dem anderen in vollem Umfang. Was war das für ein Problem hier?
Schließlich war alles erledigt. „Gut, gut!“ sagte Pfarrer Siltz zufrieden, als er sich die Geräte ansah, die man unordentlich am Rande des Weizenfeldes aufgestapelt hatte. „Morgen kommen die Waggons.“ Sie bedeckten die Gerätschaften mit leichten Plastikfolien, die Teil der Ladung gewesen waren, und begannen den Rückmarsch.
Als sie an dem Thron vorbeikamen, wollte Bruder Paul nach dem Mädchen fragen, das er dort gesehen hatte, zögerte jedoch, weil es sein konnte, daß weiblichen Kolonisten der Kontakt mit fremden Männern vielleicht nicht gestattet war. Das würde ihre Flucht erklären und jede Frage über ihr unangemessenes Erscheinen unmöglich machen. In einer so kultbeherrschten Gesellschaft, wie es diese hier zu sein schien, war der Status von Frauen sehr fraglich.
Hinter dem Hügelrücken lag ein Dorf, nicht weiter als zwei Kilometer von ihrer Position entfernt. Bruder Paul hätte im Laufschritt die Strecke in etwa sechs Minuten zurücklegen können, hätte er den Weg gekannt, doch er bezweifelte, daß das Mädchen schon hier angekommen war, die Gruppe aufgescheucht und sie zu ihm geschickt haben konnte,
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