Der Gott von Tarot
Orden verabscheuten die Verschwendung von etwas so Wertvollem wie Wasser.
„Aber wir hatten eine Dürre“, meinte Bruder Paul. Auch in diesem Augenblick brannte die Sonne vom Himmel. „Wir haben vielleicht unwissend zuviel geschöpft, wenn man die besondere Situation, in der wir uns befinden, bedenkt.“
Bruder Jakob war ein magerer, nervöser Mann, der alles sehr ernst nahm. In seinem länglichen Gesicht zuckten die miteinander ringenden Gefühle, die er nicht äußerte. „Wenn es Gottes Wille ist …“
Bruder Paul bemerkte die offensichtliche Angst seines Genossen und beschwichtigte ihn: „Aber zuerst werden wir die Pumpe nachsehen.“
Die Pumpe bestand aus einer Kurbelwelle, die die Drehbewegung der Bolzen in waagerechte Bewegung auf die Kolben an einer Stange übertrug. Die Stange führte hinab in den Brunnen, um den dort versenkten Zylinder zu betreiben, welcher das Wasser hochdrückte. Bruder Paul brachte sein Werkzeug herbei und löste vorsichtig den Mechanismus auseinander, nahm den Kolben vom Gestänge und zog den Zylinder aus der Tiefe heraus. Sein kleines Silberkreuz, das an einer Kette um seinen Hals hing, behinderte ihn beim Vornüberbeugen. Er steckte es mit einer gewissen geistesabwesenden Ehrfurcht in die Brusttasche.
Seine Nase krauste sich. „Ich hoffe, das ist nicht das Höllenfeuer“, meinte er.
„Was?“ Bruder Jakob besaß keinen ausgeprägten Humor.
Bruder Paul schraubte die Mechanik auseinander. Rauch stieg empor. „Aha! Die Holzverkleidung ist angesengt und beschädigt, und so konnte die Pumpe nicht mehr richtig arbeiten!“
„Versengt?“ fragte Bruder Jakob überrascht. Er schien sehr erleichtert, daß sich das Problem als ein mechanisches herausstellte und weder mit dem Absinken des Wasserspiegels noch mit dem Höllenfeuer zusammenhing. „Das ist doch eine Wasserpumpe!“
Bruder Paul lächelte geduldig. Die sich tiefer eingrabenden Falten in seinem Gesicht verrieten, daß er häufig diese Miene aufsetzte. Doch es gab auch ein entgegengesetztes Netz von Falten, welches die ernsthaftere Seite seines Charakters verriet; einige ließen sogar auf beträchtlichen Schmerz deuten. „Nicht alles ist naß, Bruder. Dieser Zylinder ist abgedichtet. Bei hohem Wind, wenn sich der Schaft schnell dreht, wird das Gestänge durch die Reibung so heiß, daß es beginnt zu verkohlen.“
„Und gestern hatten wir ziemlich starken Wind“, stimmte Bruder Jakob zu. „Bruder Peter hat dafür gesorgt, daß wir das Mehl für eine ganze Woche mahlen. Aber wir haben nicht daran gedacht, daß die Mühle …“
„Das ist nicht euer Fehler, Bruder“, warf Bruder Paul rasch ein. „Es ist ganz natürlich und auch vernünftig, die Mühle mit höchster Auslastung zu betreiben, und ein starker Wind macht alle Arbeit leichter. Das ist nur ein Problem unserer niedergehenden Technologie. Ich werde die Umhüllung erneuern, aber wir tun besser daran, bei den nächsten heftigen Winden die Mühle zu drosseln. Manchmal ist es wohl besser, ein wenig Wind ungenutzt zu lassen, als ein schlechtes Teil zu verlieren.“ Er lächelte bei der Arbeit vor sich hin und dachte darüber nach, ob er eine Lebensmaxime entdeckt hatte und ob es wert sei, diese Maxime in seine Lebensphilosophie einzufügen.
Er holte das notwendige Ersatzteil und begann, es einzubauen. Seine dunklen Hände waren stark und geschickt.
„Du bist ein Zauberer“, meinte Bruder Jakob. „Ich beneide dich um deine Geschicklichkeit bei mechanischen Dingen.“
„Ich wollte nur, das Geistige sei auch so leicht zu erringen“, erwiderte Bruder Paul. Er schwitzte nun unter der angenehmen Anstrengung. Er war ein untersetzter
Weitere Kostenlose Bücher