Der Gott von Tarot
gefährlich, daher müssen wir vorsichtig vorgehen. Doch diese Gefahr bedeutet nichts, verglichen mit jenen Gefahren, die Ihre Mission, wie aufrichtig sie auch gemeint ist, der Menschheit bringen wird. Und das ist mein Anliegen.“
Bruder Paul hatte etwas Ähnliches vermutet. In diesem Treibhaus schismatischer Religionen mußte es einfach einen ordentlichen Weltuntergangspropheten geben, und irgend jemand mußte einfach gehörige Einwände gegenüber jedwedem Gemeinschaftsprojekt haben, selbst wenn es der Gemeinde half, sich um des Überlebens willen zu einigen. Bruder Paul hatte seine Erfahrung mit demokratischen Regierungen auf der Erde gemacht. Die irren Elemente hier hatte man bislang von ihm ferngehalten. Jetzt schien eines durchgebrochen zu sein. Aber auch ein Fanatiker konnte ihm nützliche Informationen bringen. „Ich möchte sicher, daß man mich über die Risiken informiert“, sagte Bruder Paul, „die physischen wie auch die sozialen.“
„Beides wird man Ihnen mitteilen. Zuerst werde ich Ihnen den Gebirgsgarten im Süden zeigen; zwischen den einzelnen Eruptionen bebauen wir dort die Terrassen, denn die Asche zersetzt sich rasch und ist ungeheuer fruchtbar. Unser einziger Garten ernährt während des Sommers das gesamte Dorf und erlaubt es uns noch, Gemüse für den Winter einzumachen. Das ist lebenswichtig für unser Überleben.“
Der Mann hörte sich ganz und gar nicht wie ein Verrückter an! „Aber was ist mit den Weizenfeldern, durch die ich gestern gegangen bin?“
„Das ist Amaranth, kein Weizen“, korrigierte ihn der Swami. „Amaranth ist ein besonderes Korn, das sich einem fremden Klima anpaßt. Einst hat man es für Unkraut gehalten, da unten auf der Erde, bis durch das Wiederaufleben der kleinen Familienbauernhöfe auch der Markt für zähes, handgeerntetes Korn wiederentdeckt wurde. Richtigen Weizen haben wir auf dem Planeten Tarot bislang nicht anbauen können, aber wir experimentieren mit den Varianten dieses anderen Korns und hegen große Hoffnung. Hier auf dem Südhügel ist die Lavaschicht ebenfalls sehr fruchtbar, zersetzt sich aber langsamer als die Asche und benötigt daher langsamer wachsende, ausdauerndere Gewächse. Das Klima in der Tiefebene ist bescheidener, ausgeglichener, was langfristig ein Vorteil ist.“
Bruder Paul kannte sich bei Amaranth und Vulkananbau nicht sonderlich gut aus; daher konnte er nichts entgegnen. Doch einige der Bemerkungen fand er schon fragwürdig. Die Zersetzung von Lava vollzog sich seines Wissens nach nicht innerhalb von einem oder zwei Jahren, sondern in Jahrhunderten. Das jährliche Wachstum der Pflanzen hing größtenteils von den ohnehin in der Erde vorhandenen Elementen ab und nicht von dem langsamen Auflösen des Gesteins.
Ihre Diskussion versiegte, denn der Aufstieg wurde steiler. Durch den Boden drangen glasartige Bruchstücke von Felsen, wie Obsidianspiegel, die man in das Gestein eingelassen hatte. Vulkanisch? Das mußte wohl so sein. Er hätte gern mehr darüber gewußt. Die Vulkane auf dem Planeten Tarot unterschieden sich vielleicht grundsätzlich von denen auf der Erde, wie ja auch die des unmittelbaren Nachbarplaneten Mars anders waren.
Grundsätzlich anders. Er lächelte und freute sich über das Wortspiel. Ein Vulkan war ein Ding des Grundes, des Bodens, geformt durch die tiefsten Kräfte der planetarischen Kruste. Ob nun also ähnlich oder unterschiedlich …
Er stolperte über einen Stein und verlor diese Gedankenkette. Es gab eine Art Weg, der aber nicht leicht begehbar war. Der Swami kletterte mit der Geschicklichkeit eines Affen voran und umklammerte mit den
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