Der Gott von Tarot
Judotraining habe ich immer die Kraft ki gesucht, sie aber nie gefunden. Ohne Zweifel waren meine Motive nicht lauter; ich habe an eine Körperkraft gedacht, nicht an eine geistige.“
„Das ist die Wurzel des Scheiterns bei der großen Mehrheit der Adepten.“ Der Swami blieb stehen. „Wollen Sie vielleicht diesen Felsen zertrümmern?“ fragte er und wies auf einen aufragenden Kristall.
Bruder Paul berührte ihn mit den Fingern und spürte die Härte. „Mit einem Vorschlaghammer?“
„Nein. So. Mit ki.“ Und der Swami hob den rechten Arm und ließ die Hand hart auf den Felsen niedersausen.
Und der Stein zerbrach.
Bruder Paul starrte ihn an. „A7!“ keuchte er. „Sie haben es!“
„Ich demonstriere dies nicht, um Sie zu beeindrucken“, sagte der Swami, „sondern eher als Beweis, daß mein Anliegen ernster Natur ist. Sie haben mich zweifelnd angesehen, und das ist Ihr gutes Recht, aber Sie müssen auch die Aufrichtigkeit meiner Warnung akzeptieren.“
Wieder sah Bruder Paul auf den zersplitterten Kristall. Hatte der Stein einen Sprung gehabt? Er hatte vorher nichts bemerkt, und selbst wenn es so gewesen wäre, hätte es wohl eines festeren Schlages bedurft, als den eines menschlichen Armes. Die Kraft ki war wohl die einleuchtendste Erklärung dafür. Der Mensch, der diese Kraft besaß, mußte durchaus ernstgenommen werden. Nicht nur, weil sie potentiell todbringend war; der Swami mußte auch ein rigoroses Training und Disziplin hinter sich haben sowie fundamentale Einsichten über das Wesen des Menschen und des Universums besitzen.
„Ich nehme Sie ernst“, sagte Bruder Paul.
Der Swami nahm den Weg wieder auf, als sei nichts Besonderes geschehen. „Nur wenige erweisen der Suche nach ihrer Aura den angemessenen Respekt …“
„Aura!“ rief Bruder Paul, wiederum überrascht, aus.
Der Swami warf ihm einen Blick von der Seite zu. „Erwecken diese Worte bei Ihnen irgendwelche besonderen Assoziationen?“
Bruder Paul überlegte, ob er dem Swami von seiner Vision des Wesens aus der Sphäre Antares erzählen sollte, das Bruder Paul über die Existenz seiner vermutlich starken Aura informiert hatte. Es bedurfte nur eines kurzen Nachdenkens, um diese Regung zu unterdrücken. Er wußte zu wenig über diesen Mann und diese Gesellschaft, um etwas so Persönliches zu diskutieren. Welche vernünftige Person würde an einen Geist in der Maschine glauben? Oder an einen fremdartigen Kontakt während der Zeitspanne der ‚sofortigen’ Materieübertragung? „Ich habe von der Kirlianphotographie gelesen.“
„Nein. Fotos sind nicht die Essenz. Aura durchdringt die Grobgewebe des Körpers und ist die Quelle aller lebensnotwendigen Aktivitäten, Bewegung, Wahrnehmung, Denken und Fühlen eingeschlossen. Das Erwachen dieser Kraft ist das größte Unternehmen und die wunderbarste Errungenschaft, derer der Mensch fähig ist. Dadurch wird es möglich, den Abgrund zwischen Wissenschaft und Religion, zwischen Technologie und Wahrheit zu überbrücken. Aber es birgt auch Gefahren. Ernsthafte Gefahren.“
Sie befanden sich nun unten in der Ebene und gingen nach Norden durch den Amaranth. Kein Wunder, daß der Weizen seltsam ausgesehen hatte! Bruder Paul wurde durch Gedanken an die junge Frau, die er am vorigen Tag dort getroffen hatte, sowie an seine anderen Abenteuer abgelenkt. „Wenn wir schon von Gefahr reden: Ist es sicher, ohne Waffen hierherzukommen? Gestern bin ich hier in der Nähe auf ein wildes Tier gestoßen.“
„Ja, die Nachricht darüber ist im ganzen Dorf herumgegangen. Der Knochenbrecher wird Sie nicht wieder angreifen, da Sie ihn besiegt haben. Sonst hätte ich Sie sicher nicht über diesen Weg
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