Der Gott von Tarot
Händen kristalline Auswüchse mit der Präzision langjähriger Erfahrung. Nur unter Mühe hielt Bruder Paul mit ihm mit und imitierte die Handgriffe seines Führers. Manchmal wurde der Aufstieg fast vertikal, und zuweilen war der Pfad grob in den Fels hineingehauen. Offensichtlich hatte sich die Lava beim Abkühlen zusammengezogen, so daß die Spalten unregelmäßig verliefen. Die tanzenden Sonnenstrahlen schienen hinab in diese Abgründe, spiegelten sie wider und ließen den Berg wie eine Muschelschale der Niederwelt der Illuminationen erscheinen … Man konnte beim Blick in diese kaleidoskopischen Spiegelhallen erblinden, dachte Bruder Paul.
Oder hypnotisiert werden! War das vielleicht der Grund für die Erscheinungen?
Aber was hatte er dann in der Speisehalle während des Sturms gesehen und gefühlt? Dort gab es keine Schluchten, kein Sonnenlicht! Also eine Theorie weniger.
Sprünge und Gas. Das legte eine schauerliche Analogie nahe. Vom Bocor, dem Hexendoktor Haitis, hieß es, er würde sein Pferd rückwärts zur Hütte des Opfers reiten, ihm durch einen Spalt in der Tür die Seele aussaugen und die gasförmige Seele in einer Flasche aufbewahren. Später, wenn das Opfer starb, öffnete der Bocor das Grab, zog die Flasche hervor und reichte sie dem Toten, damit dieser einmal daran röche. Nur einmal, nicht genug, um die Seele wiederzubeleben, sondern nur einen Teil. Das erweckte den Leichnam, und er stand auf als ein Zombie, gezwungen, sich dem Willen des Hexendoktors unterzuordnen. Konnte man das gleiche mit menschlicher Aura tun, und stand dies im Zusammenhang mit den Phänomenen des Planeten Tarot?
Wilde Spekulationen; er täte besser daran, sie zu vermeiden und sich au f die objektive Tatsachensuche zu konzentrieren. Dann würde er eine fundierte Meinung bilden können. Im Moment hatte er ohnehin genug zu tun, um diesen gefährlichen Aufstieg zu überleben.
Schließlich gelangten sie auf einen schmalen Vorsprung. Der Swami führte ihn dort entlang, denn er war nur so schmal, daß sie hintereinander gehen mußten. Der Ausblick war beunruhigend: sie befanden sich mehrere hundert Meter oberhalb des Dorfes, wobei die obersten dreißig Meter lotrecht abfielen. Die Palisade sah aus wie eine Mauer aus Zahnstochern. Wehe dem, der nicht schwindelfrei war!
Der Vorsprung erweiterte sich zu den Gärten. Fremdartige Büsche und Ranken breiteten sich dort üppig aus. Hier gab es keine Blasen; offensichtlich waren die Höhe, die Ungeschütztheit und der Wind zuviel für sie. „Wir bebauen diese Stelle in diesem Jahr erst seit zwanzig Tagen, seit hier oben der Schnee geschmolzen ist“, sagte der Swami mit gehörigem Stolz.
„Zwanzig Tage? Sieht aus wie nach drei Monaten!“
„Ja. Ich habe Sie gewarnt, daß hier alles unglaublich rasch wächst, und Sie können es glauben oder auch nicht. Bald beginnen wir mit der ersten Ernte der Saison. Dann gibt es bis zum Herbst keine Holzsuppe mehr.“
„Von dieser Erde könnten wir auf unserem Globus etwas gebrauchen!“
„Zweifelsohne. Und wir könnten mehr Nachschub von der Erde gebrauchen – und nicht nur als Bestechungsmittel, wenn wir ihnen Einmischung in religiöse Angelegenheiten erlauben. Vielleicht können wir die Erde gegen andere Dinge austauschen?“
Bruder Paul war sich nicht sicher, wieviel davon Humor war und wieviel Sarkasmus, daher gab er keine Antwort. Die Kosten der Materieübertragung verboten den Transport von großen Quantitäten Humusboden. Was sie wirklich brauchten war die Zusammensetzung – die chemische Analyse dieser Erde und ein paar Samen dieser kräftigen Pflanzen. Und das würde sehr schwierig
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