Der Gott von Tarot
sein, denn es war verboten, fremde Pflanzen zur Erde zu transportieren. Der Export war nicht begrenzt, doch Importe wurden einer strengen Quarantäne unterzogen; darin lag auch eine bestimmte Logik für jene, die sich in der Bürokratie auskannten. Selbst wenn er, Bruder Paul, ausreichende Chemiekenntnisse gehabt hätte, um die Zusammensetzung zu bestimmen, würde es ihm dennoch wahrscheinlich nicht gelingen, die Behörden auf der Erde darauf aufmerksam zu machen. Aber er würde Muster mitnehmen und es versuchen …
„Es ist eine Gegend aktiver Vulkane“, meinte Bruder Paul und unterbrach seine Gedankenkette. Es war eine Disziplin, der er sich oft unterziehen mußte. „Was geschieht, wenn vor der Ernte ein Ausbruch geschieht?“
„Das hängt von der Stärke der Eruption ab. Die meisten sind nur geringfügig, und der Wind trägt die Asche von dieser Stelle fort. Später im Jahr, wenn die vorherrschenden Winde sich drehen, wird es schon komplizierter.“
Bruder Paul blickte erneut den steilen Abhang hinab auf das Dorf. Die Landschaft lag da wie ein meisterhaftes Gemälde, und der nahe liegende See spiegelte leuchtend hell die Morgensonne. Wunderschön! Aber ihm würde es nicht gefallen, hier auf dem Vulkan ausgesetzt zu sein, wenn dessen Spitze explodierte! Offensichtlich gab es sowohl Asche als auch Lava.
Das erinnerte ihn an einen Gedanken, den die Schwierigkeit des Aufstiegs vertrieben hatte. „Gas“, sagte er. „Entströmt dem Vulkan kein Gas? Das könnte mit …“
„Es gibt Gas und Flüssigkeiten und feste Teilchen und enorme Energie entsprechend den Gesetzen des Tarot“, antwortete der Swami. „Aber keines von ihnen ist halluzinogener Natur. Man kann unser Problem nicht so einfach abtun und sagen, alles läge im Grunde des Berges.“ Er blieb neben Bruder Paul stehen und deutete nach Norden. „Da, in fünf Kilometer Entfernung liegt die Tiefebene, die wir das Nordloch nennen. Das ist die Stelle für die Erscheinungen in diesem Gebiet.“
„Vielleicht ist dort ein unterirdischer Ausgang des Vulkans“, beharrte Bruder Paul. „Da können sich sonderbare Dinge ereignen. Das Orakel von Delphi – das ist ein Ort unten auf der Erde –, da saß über dem Spalt eines …“
„Ich kenne es. Aber es ist sonderbar, daß es hier am Südhügel des Vulkans keinerlei Animationen gibt. Nein, ich meine, das Geheimnis ist komplizierter und wunderbarer.“
„Aber Sie haben etwas dagegen, daß ich dieses Geheimnis untersuche?“
Der Swami wies auf den Weg den Berg hinab. Nach Westen verlief ein weniger steiler Pfad, so daß sie vorsichtig aufrecht gehen konnten und gelegentlich auf der schwarzen Asche ausrutschten, die in unregelmäßigen Abständen wie ein Fluß den Weg kreuzte. „Verstehen Sie etwas von Prana!“
Bruder Paul kicherte. „Nein, ich habe Hatha-Yoga und Zen-Meditation probiert und die Vedas gelesen, doch das richtige Bewußtsein für Prana oder Jiva habe ich niemals entwickelt. Ich kann nur die oberflächlichen Beschreibungen abgeben. Prana ist das individuelle Lebensprinzip und Jiva die persönliche Seele.“
„Das ist schon ein Anfang“, meinte der Swami. „Sie sind besser informiert, als ich gedacht habe, und das ist ein Glücksfall. In hündischen, vedischen und tantrischen Texten gibt es das Symbol der schlafenden Schlange, die um eine menschliche Wirbelsäule geschlungen ist. Das ist Kundalini, die zusammengerollte latente Energie von Prana, die unter vielen anderen Namen bekannt ist. Die Christen nennen sie den ‚Heiligen Geist’, die Griechen ‚Äther’; in den Kampfkünsten heißt sie ki .“
Nun gelangte Bruder Paul in vertrautere Gebiete. „Ach ja. Beim
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