Der Gott von Tarot
und mächtigere Frau als die vorangegangene. In vielen Kartenspielen war die Priesterin eine Jungfrau, während die Herrscherin die Mutterfigur bedeutete. Hier saß sie auf ihrem Thron; in anderen Spielen stand der Thron in einem Weizenfeld. War es wirklich sie gewesen, die er gesehen hatte, als er aus der Kapsel stieg – nur vor wenigen Stunden? Wenn dem so war, dann wollte er sie nicht hier in aller Öffentlichkeit herbeirufen. Er würde sie lieber allein treffen, denn sie hatte etwas für ihn sehr Anziehendes. Leg sie ab, zumindest für den Augenblick.
Arkane Vier, der Herrscher, Gegenstück zur Herrscherin, Symbol weltlicher Macht, saß auf seinem viereckigen Thron, die Beine zur Zahl Vier gekreuzt, in der rechten Hand ein Zepter in Form eines ägyptischen Ankh oder Lebenskreuzes, in der Linken den Reichsapfel. Er repräsentierte die Herrschaft von Verstand über Gefühl, des Bewußtseins über das Unbewußte. Ja, das war ein gutes Symbol für diese Situation! Die Karte der Macht.
Wenn er auch die mittelalterliche Karte in Händen hielt, stellte er sich dennoch die Version des Ordens vor. Der vor ihm liegende Herrscher, den er beleben wollte, war ein mittelalterlicher Monarch mit einem großen, gewölbten Schild, das ein wenig Ähnlichkeit mit dem hölzernen Becher hatte, mit dem man sich hier gegen den Sturm schützte, sowie ein Szepter, dem nur drei Spitzen fehlten, um zum Dreizack zu werden. Pfarrer Siltz hätte für ihn gut Modell stehen können!
Bruder Paul konzentrierte sich. Er fühlte sich unbehaglich; vielleicht hatte er so lange zu einer Entscheidung gebraucht, weil er wußte, daß seine Klugheit auf dem Spiel stand. Es mußte einen Trick geben, den die Kolonisten kannten und der die Belebungen so real erscheinen ließ; offensichtlich war er dazu nicht in der Lage.
Wie vorhersehbar geschah nichts. Was immer eine Erscheinung auch sein mochte, es funktionierte nicht bei jedem. Was bedeutete, es war in der Tat ein Trick. „Es scheint nicht zu funktionieren“, sagte er mit einer gewissen Erleichterung.
„Erlauben Sie mir einen Versuch; vielleicht brauchen Sie nur die Anleitung“, sagte Pfarrer Siltz. Er nahm die Karte und konzentrierte sich.
Nichts geschah.
„Der Sturm hat nachgelassen“, sagte Dekan Brown. „Die Animationswirkung ist vorbei.“
Also war die Kraft hinter den Belebungen zufällig verschwunden. Nichts konnte mehr bewiesen werden, ob auf die eine oder die andere Weise. Bruder Paul sagte sich, daß er damit hätte rechnen müssen.
Und doch war er enttäuscht. Es wäre zu wunderbar gewesen, um wahr zu sein, und hier stand er, vielleicht um die Blase zum Platzen zu bringen – aber was für eine unglaubliche Macht die Animationen bedeuten würden, wenn sie nur echt wären! Körperliche Objekte, die – aus der Vorstellungskraft entstehen!
Nun gut. Er war hier, um die Realität zu prüfen. Es war nicht seine Sache, nur zu hoffen oder zu phantasieren.
5
Intuition
Nur gelegentliche Beschäftigung und niemals mehr während eines ganzen Lebens war das, zerfressende Krebsgeschwür’ im Leben der Königinnen und Konkubinen eines östlichen Harems. Unendliche Langeweile – wenn man der einen Quelle glaubt, und Reizbarkeit aufgrund von unendlicher Langeweile, wenn man der anderen Glauben schenkt – bewirkten, daß der Harem zur Wiege des Kartenspiels wurde.
Bei der ersten Legende heißt es, ‚die innere Kammer’ eines chinesischen Kaiserpalastes habe die Geburt der Karten gesehen. Die dort eingeschlossenen, Verschleierten’ waren zahlreich, da der Kaiser nicht nur eine Frau besaß, sondern ein regelrechtes Schlafzimmerpersonal, für dessen vor zweitausend Jahren
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