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Der Gott von Tarot

Der Gott von Tarot

Titel: Der Gott von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Er­schei­nun­gen war im De­tail recht schwie­rig, et­wa wie zum ers­ten Mal Roll­schuh­fah­ren. Man konn­te das Grund­prin­zip be­herr­schen, ver­füg­te aber nicht über die Ko­or­di­na­ti­ons­fä­hig­keit, es rich­tig durch­zu­füh­ren, und konn­te schmerz­haft stür­zen. Er war sich kei­nes­wegs si­cher, ob er nun die Spiel­re­geln be­folg­te, denn dies war eher ein un­end­li­cher Be­fehl als ei­ne bild­li­che Dar­stel­lung.
    Ei­ne Ge­stalt er­schi­en. Hat­te es wirk­lich funk­tio­niert? Es schi­en ein Kö­nig zu sein. Der Kö­nig sprach. Doch die Wor­te wa­ren un­ver­ständ­lich. Es war ei­ne frem­de Spra­che! Er hät­te wis­sen müs­sen, daß er von den Papp­fi­gu­ren kei­ne In­for­ma­ti­on er­hal­ten wür­de! Wie­der wur­de er ge­täuscht. Aber …
    Auf­merk­sam hör­te Bru­der Paul zu. Im Ver­lauf sei­ner Aus­bil­dung hat­te er Kur­se in Fran­zö­sisch und Deutsch be­legt und ein ge­wis­ses Sprach­ge­fühl ent­wi­ckelt. Aber das war zehn Jah­re her. In Deutsch war er bes­ser ge­we­sen, doch die­se Ge­stalt sah nicht deutsch aus. Fran­zö­sisch? Ja, viel­leicht das Frank­reich vor sechs Jahr­hun­der­ten, der Zeit des frü­he­s­ten be­kann­ten au­then­ti­schen Ta­rot­spiels. Das muß­te Kö­nig Karl IV. um 1400 sein, der das be­rühm­te Grin­gon­neur-Ta­rot­spiel pro­te­gier­te.
    Die Ge­stalt mach­te ei­ne Hand­be­we­gung, und ei­ne Sze­ne ent­stand. Ei­ne Er­schei­nung, die ei­ne wei­te­re Er­schei­nung her­vor­rief? Nun denn! Die­se neue Sze­ne war vol­ler Men­schen. Drei Paa­re gin­gen fröh­lich wie bei ei­ner Pa­ra­de auf und ab. Die jun­gen Män­ner tru­gen mit­tel­al­ter­li­che Klei­dung, die jun­gen Da­men ele­gan­ten Kopf­putz und Schlep­pen­klei­der. Über ih­nen hat­te sich der Wol­ken­mann in zwei mi­li­tä­ri­sche Ge­stal­ten mit ge­spann­ten Bo­gen ver­wan­delt. Sie rich­te­ten die Pfei­le auf die fröh­li­chen Paa­re. Was für ein Un­heil hat­te er nun her­auf­be­schwo­ren?
    Bru­der Paul lä­chel­te. Das war kein Hin­ter­halt oder das Sym­bol ei­ner ge­spal­te­nen Per­sön­lich­keit, son­dern Ro­man­tik. Die Wol­ken­män­ner wa­ren aus­ge­wach­se­ne Cu­pi­dos, die den Men­schen Lie­bes­pfei­le schick­ten. Aber sein Ziel war es, einen Füh­rer zu fin­den und nicht die de­tail­lier­ten Be­son­der­hei­ten ei­nes be­stimm­ten Ta­rot­spiels zu er­fah­ren. Je­den­falls wür­de ein Füh­rer, des­sen Rat er kaum ver­stand, weil er in we­nig ver­trau­ter Spra­che er­teilt wur­de, nicht aus­rei­chen.
    „Tut mir leid“, sag­te Bru­der Paul. „Du bist viel­leicht aus ei­nem Ori­gi­nal-Ta­rot­spiel von ma­kel­lo­ser Aus­füh­rung, aber ich muß wei­ter­su­chen. Der nächs­te bit­te!“
    Die Sze­ne ver­schwand mit­samt dem Kö­nig und wur­de durch et­was er­setzt, was Bru­der Paul für ita­lie­nisch hielt, wenn er auch nicht ge­nau sa­gen konn­te, auf­grund wel­cher Tat­sa­che er so ur­teil­te. Es war ein in den Jah­ren fort­ge­schrit­te­ner Mann. Er trug ein schen­kel­lan­ges Ca­pe, das reich be­stickt war, da­zu einen kro­nen­ar­ti­gen Kopf­putz. Of­fen­sicht­lich ei­ne Per­son von Rang.
    Der Mann mach­te ei­ne klei­ne, förm­li­che Ver­beu­gung. „Fil­ip­po Ma­ria Vis­con­ti“, sag­te er.
    Das war al­so der be­rühm­te (oder be­rüch­tig­te) Her­zog von Mai­land, über den Bru­der Paul ge­le­sen hat­te, der das wun­der­schö­ne Vis­con­ti-Sfor­za-Ta­rot­spiel in Auf­trag gab, in Er­in­ne­rung an die Hoch­zeit sei­ner Toch­ter mit dem Spröß­ling der Sfor­za. Ein har­ter, bru­ta­ler Mann. Er hat­te für die Ma­le­rei­en ein klei­nes Ver­mö­gen aus­ge­ge­ben, und das Kar­ten­spiel war das schöns­te al­ler mit­tel­al­ter­li­chen Ver­sio­nen.
    Bru­der Paul er­wi­der­te die Ver­beu­gung. „Bru­der Paul vom Hei­li­gen Or­den der Vi­si­on“, stell­te er sich vor. „Ich freue mich, Ih­re Be­kannt­schaft zu ma­chen.“ Doch sein Ver­gnü­gen wur­de durch ei­ne na­gen­de Er­in­ne­rung ge­dämpft: Hat­te die­ser Her­zog nicht Men­schen­fleisch an sei­ne Hun­de ver­füt­tert?
    Vis­con­ti fuhr mit sei­ner Dar­stel­lung fort – in ita­lie­nisch. Noch ei­ne Sprach­bar­rie­re!

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