Der Gott von Tarot
aus dieser Erscheinung herausfinden? Sollte er eine der Frauen fragen? Dann würde er sich in eine Unterhaltung mit ihnen begeben, wie er es mit dem Hierophanten getan hatte. Besser war es, die beiden vollständig unbehelligt zu lassen.
Dann merkte er, warum er so fest an eine Antwort glaubte. Einer der Aspekte der Arkane Sechs war die Wahl – die Wahl zwischen Tugend und Laster. Eine Frau war die richtige, aber welche? So verschwommen sie beide waren, vermochte er es nicht zu sagen. Und er war sich keineswegs sicher, daß das äußere Erscheinungsbild den notwendigen Hinweis darauf gab. Tugend war nicht notwendigerweise schön und das Laster nicht immer häßlich. Wenn das so wäre, würden sich immer nur wenige Menschen falsch entscheiden. Auch das mußte er sorgfältig bedenken.
Er hatte mit Zahlen und Bildern gespielt und war nirgendwohin gelangt, weil er eben nur gespielt hatte. Jetzt schließlich befand er sich innerhalb der Erscheinung, und die Wahl war noch viel schwieriger. Er wußte nicht, wessen Gott, wenn überhaupt einer, sich hier manifestierte, und er würde es nie erfahren, wenn er seinen Vorurteilen gestattete, seine Untersuchungen zu dominieren. Gott konnte sich sehr wohl durch ein unerwartetes Medium manifestieren. Vielleicht besaß er in seinen TarotVorstellungen ein passendes Mittel, vielleicht auch ein lächerliches, aber nun schien er der Wahrheit näher gekommen zu sein, als er es zuvor gewesen war, näher auch, als es ihm vielleicht in Zukunft gelingen würde, und er wußte nicht, ob er die Gelegenheit verstreichen lassen konnte. Gott würde wahrscheinlich nicht warten, bis es ihm einmal paßte. Daher war er wohl am besten beraten, wenn er nahm, was ihm angeboten wurde, und dies sogleich weiter verfolgte.
Doch wie ein schwindendes Bewußtsein mahnte ihn sein angeborenes Gefühl zur Vorsicht. Er konnte es sich nicht gestatten, sich unstatthafterweise durch Nebensächlichkeiten beeinflussen zu lassen. Der flüchtige Anblick der Herrscherin hatte ihn gereizt, das Mädchen aus dem Weizenfeld, welches sich als Amaranth herausgestellt hatte und die eine der Gestalten vor ihm sein konnte. Wenn er das Bild nun verließ, würde sie dann mit ihm kommen? Oder wäre sie verloren? Wie konnte er es erfahren?
Was erfahren? Er schüttelte den Kopf. Sicher ging er seinen Visionen hier nicht nach, weil er vermutete, er könne hier einige Macht über sie ausüben, ein Mittel, sie freundlich zu stimmen für … für was? Er hatte nichts mit ihr zu schaffen, außer daß er ihre Reliefkarte benutzte, um den Weg hier heraus zu finden. Da sie nicht zu den offiziellen Beobachtern gehörte, drohte ihre bloße Präsenz die gesamte Mission zu verzerren, insbesondere, da ihre Persönlichkeit und Körper so …
Er drehte sich im Kreis. War es besser zu versuchen, der Erscheinung zu entfliehen – als sei er in der Lage, sie ein anderes Mal richtig herbeizurufen – anstatt sie mehr oder minder zufällig sich bilden zu lassen? Oder sollte er sich kopfüber hineinstürzen, wo er schon so weit gekommen war? Er war hoffnungslos verwirrt, was seine eigenen Motive anging. Er brauchte objektiveren Rat. Aber den konnte er nicht bekommen, ohne die Erscheinung zu verlassen (die Szene der Arkane Sechs war in all ihren verschwommenen Details gehorsam erstarrt, während er mit seiner Unsicherheit rang), und das allein wäre bereits eine Entscheidung, vielleicht ein Irrtum. Es bedeutete, daß er allein war. Es sei denn, er könnte irgendwie innerhalb der Erscheinung Rat suchen.
Nun, warum nicht? „Ich möchte“, sagte er laut, „eine Beraterin wählen, die mich durch dieses Erscheinungsbild
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