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Der Gott von Tarot

Der Gott von Tarot

Titel: Der Gott von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Frau­en. Al­le tru­gen al­tägyp­ti­sche Ge­wän­der. Der Mann hielt die Ar­me ge­kreuzt, die Hän­de ruh­ten auf sei­nen Schul­tern; die Ar­me der Frau­en wa­ren von den El­len­bo­gen an hoch­ge­ho­ben, und die Hän­de be­fan­den sich in Schulter­hö­he. So be­rühr­te je­de Frau mit ei­ner Hand die Schul­ter des Man­nes, wenn sie sich auch von ihm ab­ge­wandt hielt, wäh­rend er kei­ne von bei­den an­sah. Über ih­nen spann­te ei­ne dä­mo­ni­sche Ge­stalt in ei­nem Son­nen­kreis einen ver­zier­ten Bo­gen und hat­te einen lan­gen Pfeil auf­ge­legt.
    „Dies ist die Sechs­te Ar­ka­ne mit Na­men ‚Die zwei Pfa­de’“, sag­te die Spre­che­rin. „Ach­te auf die bei­den sich tei­len­den We­ge, wie in dem Ge­dicht bei Ro­bert Frost; die Wahl des Weges ist das wich­tigs­te. Die­se Ar­ka­ne be­zieht sich auf den ägyp­ti­schen Buch­sta­ben Ur, he­brä­isch Vau, oder die la­tei­ni­schen Buch­sta­ben V, U und W. Sei­ne Far­be ist gelb, der Ton E, sei­ne ok­kul­te Wis­sen­schaft der Kab­ba­lis­mus. Sie drückt ihr The­ma auf drei Ebe­nen aus: In der spi­ri­tu­el­len Welt re­flek­tiert es das Wis­sen um Gut und Bö­se, in der in­tel­lek­tu­el­len das Gleich­ge­wicht zwi­schen Frei­heit und Not­wen­dig­keit, in der phy­si­schen Welt den Ant­ago­nis­mus der Na­tur­kräf­te, die Ver­bin­dung zwi­schen Ur­sa­che und Wir­kung. Ach­te dar­auf, daß die Frau zur Lin­ken be­schei­den ge­klei­det ist, wäh­rend die Frau zur Rech­ten ver­füh­re­risch nackt­bu­sig ist, einen Kranz im Haar trägt und das durch­sich­ti­ge Ge­wand die Bei­ne buch­stäb­lich bis zur Tail­le zeigt. Den­ke auch dar­an, Sohn der Er­de, daß für den ge­wöhn­li­chen Men­schen die Ver­füh­rung der Un­mo­ral ei­ne weitaus grö­ße­re Fas­zi­na­ti­on birgt als die stren­ge Schön­heit der Tu­gend.“
    Bru­der Paul war be­ein­druckt. „Du hast den Sym­bo­lis­mus wirk­lich her­aus­ge­stellt“, mein­te er. „Aber die meis­ten Ge­lehr­ten in­ter­pre­tie­ren die­se Kar­te eher als Lie­be denn als Wahl.“
    „Ve­nus re­giert die Lei­den­schaf­ten und so­zia­len Be­zie­hun­gen“, ent­geg­ne­te sie oh­ne Ver­är­ge­rung. „Sie gibt die Lie­be zum Wohl­le­ben, Lu­xus und Ver­gnü­gen. Es ist nicht es­sen­ti­ell bö­se, aber wenn man die­se Li­nie des ge­rings­ten Wi­der­stan­des ver­folgt, kann es zum Übel füh­ren. Wenn man da­bei schei­tert, den Ver­füh­run­gen der Schlech­ten zu wi­der­ste­hen, ge­langt man un­ter den bö­sen Ein­fluß der Zwei­ten Ar­ka­ne, der ver­schlei­er­ten Isis …“
    „War­te, war­te!“ pro­tes­tier­te Bru­der Paul. „Ich will mich im Mo­ment nicht mit der Ho­he­pries­te­rin oder an­de­ren Kar­ten ein­las­sen; ich möch­te nur die­se Kar­te hier als Re­prä­sen­tan­tin dei­nes Spiels ver­ste­hen, da­mit ich sie mit den ent­spre­chen­den Kar­ten der an­de­ren Spie­le ver­glei­chen kann. Steht die­se Kar­te für Lie­be oder für die Wahl? Ein ein­fa­ches Ja oder Nein reicht nicht – ich mei­ne ent­we­der die ei­ne Be­schrei­bung oder die an­de­re.“
    Sie blick­te ihn vor­wurfs­voll an. „Wenn du auf die un­end­lich kom­ple­xen Fra­gen der Ewig­keit ein­fa­che Ant­wor­ten suchst, dann hat es kei­nen Zweck, die Bru­der­schaft vom Licht zu be­fra­gen.“
    Bru­der Paul hat­te kei­ne so ele­gan­te, aber di­rek­te Zu­recht­wei­sung von ei­ner Zau­ber­fi­gur er­war­tet. „Tut mir leid“, ent­schul­dig­te er sich. „Denn ei­gent­lich bin ich nicht auf der Su­che nach ei­ner voll­stän­di­gen Er­klä­rung der Sym­bo­le, son­dern nach ei­nem Füh­rer, der mich rasch und zu­ver­läs­sig zur Wahr­heit füh­ren kann. Ich weiß, ich wer­de das Ta­rot­spiel nie­mals so ein­ge­hend be­grei­fen wie du, aber viel­leicht kannst du mir zei­gen …“
    Sie gab nach. „Viel­leicht. Ich will ver­su­chen, dei­ne ein­fa­chen Fra­gen zu be­ant­wor­ten. Dies ist so­wohl die Kar­te der Lie­be als auch der Wahl, denn bei den schwie­rigs­ten Pro­ble­men ist im­mer auch die Lie­be im Spiel. Ach­te bit­te dar­auf, daß der Mann reg­los in dem Win­kel steht, den die Ver­bin­dung zwi­schen den bei­den Stra­ßen bil­det, was im Mo­ment of­fen­bar auch dei­ne

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