Der Gottbettler: Roman (German Edition)
eine Lüge, sobald sie ausgesprochen ist, Rudynar Pole. Nimm dich in Acht.«
Schweigend sammelten sie weiter. Irgendwann wies Terca ihren Begleiter an, aus einem knorrigen Eichenbaum Misteln zu zupfen. Stöhnend kletterte Rudynar Pole ins Geäst und tat, wie ihm geheißen.
»Lassen wir den Gottbettler beiseite«, rief sie zu Rudynar Pole hoch. »Ich möchte wissen, wie Pirmen derart schwer verletzt wurde und was ihr hier zu suchen habt. Was spielt der Kleine für eine Rolle?«
»Ich habe mich bereit erklärt, ihm zu folgen. Mit Aussicht auf ausreichend Geld, um mir für die letzten Jahre meines Lebens einen Rausch anzusaufen, aus dem ich niemals mehr erwachen werde.«
»Das sind ja spannende Aussichten …« Terca wunderte sich über den Mann, den man einstmals als umsichtigen Strategen geschätzt und gefürchtet hatte. War er denn zu dumm, eine Lüge zu erkennen? Wusste er derart wenig über Magicae? Diese Sippe interessierte sich nicht für materielle Werte. Was auch immer Pirmen ihm versprochen hatte, Rudynar Pole würde es niemals bekommen.
»Wir haben auf unserem Weg Richtung Süden die Grenzstadt Colean umgangen, die von den Truppen des Gottbettlers gehalten wird. Wir glaubten uns bereits in Sicherheit, als wir in einen Hinterhalt gerieten.«
»Was geschah?«
»Das Übliche. Die Jungs wähnten sich im Vorteil, weil sie zu siebt waren. Aber sie waren langsam, behäbig, überheblich. Ich tat, was getan werden musste.«
»Und Pirmen Courtix wurde schwer verletzt.«
»Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der derart ungeschickt mit einer Waffe umgeht. Mag sein, dass er sich das eine oder andere Glied mit dem eigenen Schwert abhackte.« Rudynar Pole kam aus dem Wipfel des Baums herabgeklettert, übergab Terca die Mistelzweige und schüttelte bedauernd den Kopf. »Einer von den Kerlen entkam, daher galt es, so rasch wie möglich zu verschwinden. Ich packte zusammen, was von Pirmen übrig geblieben war, und machte mich auf den Weg.«
»Wohin, wenn ich fragen darf?«
»Pirmen wollte mich zu seinem Herrn bringen, zu einem Magicus namens Larex. Zu dem wollte ich gelangen.«
»Wo lebt dieser Larex?«
»Auf Griam. Auf einem der Oceanica.«
Terca lachte. »Du wolltest ihn quer durch Mirce schleppen, durch das Hinterland der Stadtstädte, vorbei an allen Truppen des Gottbettlers, um dann irgendwie einzuschiffen und auf eine der bestbewachten Treibinseln in der Cabrischen See zu gelangen?«
Rudynar Pole zuckte mit den Schultern. »Pirmen hatte mich darum gebeten.«
Terca griff nach seinem Arm. »Wärst du bei klarem Verstand, würdest du den Irrsinn deines Vorhabens erkennen. Der Magicus beeinflusst dich. Du bist ihm hörig.«
»Unsinn!« Er befreite sich unwirsch aus ihrem Griff.
»Denk doch mal nach! Warum wolltest du all diese Mühen auf dich nehmen? Wegen der Aussicht auf einige Goldstücke riskierst du Kopf und Kragen, reist wochenlang durch besetztes Gebiet und schleppst einen Wildfremden mit dir? Hätte der ehemalige Linke des Heerführers, der mächtige Rudynar Pole, irgendjemandem einen derartigen Freundschaftsdienst geleistet?«
»Was geht dich das alles an, Wicca? Ich habe das Versprechen gegeben, Pirmen zu beschützen, und ich halte mich daran.«
Die kurze Berührung hatte gereicht, um das Innenleben des Mannes auszuloten. Der Magicus beeinflusste ihn in der Tat. Der Einfluss war nicht allzu tief, doch er reichte aus, um diesen in seinem Geist geschwächten Mann für sich einzunehmen. Es würde einige Zeit benötigen, um Rudynar Pole von Pirmens Wirken zu befreien – damit sie ihn ihrerseits kontrollieren konnte.
»Lassen wir das, und suchen wir weiter«, sagte sie zu ihrem Begleiter und führte ihn tiefer in den Wald. Sie fanden Weißwurzeln, Stachelkraut, Laugenblatt und Täufzwiebeln, die sich für ihre Zwecke verwenden ließen. So karg das Land auf ein ungeübtes Auge auch wirkte, so zeigte die Natur auch hier demjenigen ihre verschwenderische Fülle, der sich ein wenig auskannte.
Sie kehrten zum Lager zurück, nachdem der mitgebrachte Stoffsack voll und Terca der Meinung war, genug Kräuter gesammelt zu haben. Pirmen schlief nach wie vor. Yankela verabschiedete sich mit einem Kieferklappern und streunte davon, ohne ein Wort zu sagen. Die Hexe machte Wasser heiß, zupfte einige Kräuter und streute sie hinein. Sie befahl Rudynar Pole, beständig umzurühren, bevor sie sich um den siechen Magicus kümmerte und seine Verbände wechselte.
»Dieser grobschlächtige Kerl gehört mir«,
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