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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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da auch sie von den Geschehnissen überrollt wurde und nicht wusste, wie sie sich verhalten sollte.
    »Du wirst deine beiden Gefährten nach Griam begleiten, und wenn ihr erledigt habt, was getan werden muss, wirst du sie sicher durch ferne Länder führen. Sodass sie dem Gottbettler gegenübertreten können.«
    »Wie bitte?«
    »Es ist dein Los. Deine Pflicht. Alles, was du bislang erlebt hast, war bloß Vorbereitung auf diese eine große Aufgabe.«
    »Ich denke gar nicht daran, das zu tun, was mir ein Haufen Knochen vorschreibt!«
    »Seinem Schicksal kann man nicht entkommen. Selbst du nicht. Gehab dich wohl, Zweibeinerin. Vielleicht sehen wir uns wieder, zu einer anderen Zeit, in einem anderen Land …«
    Yankela stand auf, streckte den knochigen Körper und hetzte dann davon. Ein Schatten, der in Richtung des eben aufgehenden Monds jagte.

11. Intermezzo
    Nodsumde betrat das Gasthaus, schob die Bettlerschale in seinen schäbigen Leinensack, setzte sich an einen Tisch und trank, was der Knecht ihm brachte. Der Wirt bedachte ihn mit abschätzigen Blicken. Doch solange der neue Gast bezahlte, würde der vierschrötige Kerl es tunlichst unterlassen, ihn zu verjagen.
    Er verschüttete ein wenig vom Saft. Seine Hand zitterte mehr als während der letzten Tage. Gedankenverloren zeichnete er Symbole in die sämige Flüssigkeit. Solche, die ihm schon seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf gehen wollten. Die Rune der Fruchtbarkeit, das Insignium unerschütterlicher Liebe, das Zeichen der Überraschung und fünf weitere Elemente, die sich seinem Geist nicht so leicht erschlossen. Für sich allein ergaben sie kaum einen Sinn, doch in der richtigen Reihenfolge gewannen sie an Bedeutung. Sie zeichneten einen Weg in die Zukunft, der ihm Angst bereitete.
    Wann hatte er denn einmal keine Angst gehabt? Sie beherrschte seine Existenz und machte, dass sich die Welt rings um ihn voll Schrecken, Alben, Grauen, grässlichen Schimären und als eine Aneinanderreihung furchterregender Geschehnisse darstellte.
    Es ist gut. Es ist alles in Ordnung. Das Chaos verringert sich, Tag für Tag. Es wird dir bald besser gehen …
    Ein weiterer Gast betrat das Wirtshaus. Ein Tölpel, wie sie den äußersten Norden der Blume von Oriath bewohnten. Einer von nur noch wenigen, die den Kontakt zu den Mitgliedern anderer Völker suchten.
    Er war hochgewachsen, und er hatte Probleme, seine Stummelflügel ruhig zu halten. Für einige Sekunden wurde es still ringsum, dann setzte wieder das wirtshausübliche Gemurmel ein.
    Der Tölpel ließ sich in einer dunklen Ecke nieder. Nur noch seine überlange Nase und die feingliedrigen Hände ragten aus dem Schatten hervor.
    Nodsumde bestellte einen weiteren Saft und drückte dem Knecht eine weitere Kupfermünze in die ausgestreckte Hand. Der Mann bedankte sich mit einem Grunzen und ging weiter, hin zum Tölpel.
    Nodsumde konnte die Unterhaltung zwischen dem neuen Gast und dem kahlköpfigen Schankhelfer nicht verstehen. Es war auch nicht notwendig. Vor seinen Augen breiteten sich rote Wolken aus, Wolken aus Sinneswahrnehmungen, die ihm klarmachten, dass der Tölpel nicht das war, als das er sich darstellte.
    »Ich erkenne Sie«, sagte Nodsumde mit seiner Unterstimme. Die Worte durchdrangen die Wolken und trieben hinüber zum Tölpel, drangen in dessen Tarnhülle ein, verwirbelten, ließen diesen ganz besonderen Schutz erzittern.
    »Ich erkenne Sie auch«, kam die Antwort. Sie fühlte sich leidenschaftslos an. Von einer Interesselosigkeit, wie sie nur eine Sibylle vermitteln konnte.
    »Wir sollten uns woanders treffen.«
    »Ja, das sollten wir.«
    Nodsumde trank vom Saft. Er schloss die Augen und stellte sich einen beliebigen Ort vor. Eine noch rauchende Ruine in der Stadt Moina schien ihm ein geeigneter Treffpunkt zu sein. Er vermittelte der Sibylle in Tölpel-Gestalt seinen Zielort und wartete, bis sie ebenfalls dorthin fand.
    Vergessen war die Umgebung des Wirtshauses, vergessen dieser schreckliche Körper, in dem er gefangen war. In seinen Gedanken war er frei und durch keinerlei Grenzen eingeschränkt. Er ertastete die Präsenz der Sibylle. Ihr Namen fiel ihm ein, sobald er ihr gegenüberstand, doch er erwähnte ihn nicht. Sie präsentierte sich nun als sechsarmiges Wesen, als schlankes und biegsames Geschöpf. Sie beugte ihr Haupt, und er tat es ihr gleich.
    »Wie geht es Ihnen und Ihren Brüderschwestern?«
    »Wir sind traurig, weil wir bloß noch so wenige sind. Wir weinen viel.«
    »Das bedauere ich. Ich

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