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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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betrachtete ihn genau. »Du hast Frau und Kinder, nicht wahr? Du fürchtest um sie. Du weißt, wie wir mit Gefangenen verfahren.« Verzückt verdrehte sie die Augen. »Oh, das ist gut! Zornige Kämpfer sind mir die liebsten. In ihnen pocht diese ganz besondere Wut. Sie glühen, angefacht von Bildern, die zeigen, wie wir ihre Anverwandten schänden. Ist es nicht so, Krieger?«
    Herr Attamay konnte kaum noch an sich halten. Soeben mochten sich die Heerscharen des Gottbettlers an Deirdrae, Alef und den anderen Kindern vergehen. Ihnen Dinge antun, die so schlimm waren, dass keiner der wenigen Zeugen eines derartigen Massakers jemals Worte dafür gefunden hatte.
    Doch er hatte Pflichten den Bewohnern Amstades gegenüber. Er hatte Verantwortung übernommen. Er durfte nicht einfach davonlaufen und versuchen, sich durchzuschlagen, Richtung Westen, hin zum Wäldchen, um seiner Familie zu Hilfe zu kommen. Sein Platz war hier.
    »Dies ist ein schöner Flecken Erde«, sagte die Linke. Pae Loriander tat einige Schritte nach links, dann nach rechts. Stets blieb sie wachsam, hielt beide Hände im breiten Ledergurt eingehakt, niemals in ihrer Aufmerksamkeit nachlassend. »Vielleicht hätte ich früher einmal Interesse daran gefunden, in einem Ort wie diesem hier mein Domizil aufzuschlagen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Meine Arme und meine Gedanken dienen einem anderen, viel größeren Ziel als dem des Müßiggangs.« Mit seltsam entrückt klingender Stimme sprach sie weiter: »Das Licht der Sonne wird enden, wenn unsere Arbeit getan ist. Die Unterschiede zwischen Gut und Böse verschwinden. Es gibt nur noch eine Macht, der wir Geschöpfe dieser Welt verantwortlich sind …«
    Herr Attamay griff an. Er stieß zu, in diesem einen Moment, da er glaubte, von seiner Gegnerin ein klein wenig aus den Augen gelassen worden zu sein. Sein Ziel war der linke Oberschenkel.
    Die Linke wich spielerisch tänzelnd zur Seite aus. Ihre beiden Klingen, halblang und schartig, glitten aus den Scheiden. Pae Loriander lachte. »So also achtet man die Konventionen. Ich hatte das Tuch des Friedens mit mir.«
    »Du trägst einen Fetzen, der mit dem Blut Unschuldiger besudelt ist«, stellte Herr Attamay richtig und zog sich eine Körperlänge zurück. »Und während wir uns unterhielten, haben deine Leute ihre schmutzige Arbeit fortgesetzt.«
    »Du bist kleinlich, in deinen Gedanken und in deinen Taten.« Die Linke tat einen Ausfallschritt. Die Klingen wirbelten umher, waren mal hoch, dann niedrig geführt. Die Frau kämpfte, scheinbar ohne Rücksicht auf ihre Deckung zu nehmen. Doch Herr Attamay wusste, dass dies nicht stimmte. Sie war einfach gut. Viel zu gut für ihn. Ihre Defensivarbeit beschränkte sich darauf, ihm keine Gelegenheit zu einem Gegenangriff zu geben. Die Linke hatte die Initiative ergriffen und würde sie nicht mehr hergeben. Bis zum bitteren Ende. Bis zu seinem bitteren Ende.
    Pae Loriander drängte ihn zurück. Ein Hieb, mit der flachen Klinge geführt, traf ihn am Knie. Der Schmerz war vernachlässigbar. Gerade noch rechtzeitig bekam er seine Schwerthand hoch, um den nächsten Schlag abzufangen, den die Linke mit ihrer anderen Hand gegen Herrn Attamays rechte Schulter führte. Und schon war da der nächste Treffer. Wieder floss kein Blut, wieder blieb nur ein Gefühl der Betäubung zurück, diesmal am Ellenbogen.
    Pae Loriander zermürbte ihn, spielte mit ihm. Wie ein Kätzchen, das sich mit einem Wollknäuel abgab und alle Zeit der Welt hatte, um es in kleinste Teile zu zerlegen.
    Herr Attamay rutschte mit einem Bein zur Seite weg, unachtsam geworden. Er tat eine spagatartige Bewegung, die seine mürbe gewordenen Sehnen bis aufs Äußerste belastete. Er konnte den Sturz vermeiden – und die Situation zu seinem Vorteil nutzen. So wie man es ihm beigebracht hatte. Die Linke hatte mit einem derart seltsam anmutenden Seitenschritt nicht gerechnet.
    Schwertkampf war zu einem Gutteil Rechenkunst, mit Faktoren, die meist bekannt waren. Doch hier und jetzt gab es eine Unbekannte. Eine unnatürliche Bewegung. Herr Attamay warf sich nach vorn, duckte sich instinktiv, hörte das Zischen einer Klinge über sich und spürte eine sanfte Berührung am Hinterkopf.
    Dann war er an der Frau heran. An ihrem schlanken, biegsamen, eingeölten Körper, an dem kein bisschen Fett war. Er stieß ihr den Kopf gegen die Rippen, schob sie vor sich her, weiter weg vom Palisadenzaun, hinaus auf die Schlachtwiese.
    Die Linke stieß einen Schrei der Überraschung

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