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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Einzige, das er noch zu spüren imstande war.
    »Und nun habe ich eine Arbeit zu Ende zu bringen. Leb wohl, Krieger.«
    Herr Attamay tat seinen letzten Atemzug.

3. Heute: Das Dorf in der Kälte
    Pirmen hatte Angst, und gegen diese Angst halfen all seine Fähigkeiten als angehender Magicus nicht. »Für den Stummen Jungen«, sagte er, hielt den Atem an und öffnete die Tür zum Störrischen Ochsen . Sie ging schwerfällig auf, und Pirmen trat ein. Wie erwartet, empfing ihn ein Schwall verbrauchter Luft und Gestank. Es roch nach Menschen, die sich wochenlang nicht gewaschen hatten, nach Alkohol, nach Rauchmitteln, nach billigem Sex mit billigen Weibern.
    Pirmen sehnte fast die klirrende Kälte zurück, die er eben erst hinter sich gelassen hatte und die ihm tagelang nebst Stellex, seinem Reitpferd, Wölfen und einigen wenigen Schneehasen ein treuer Begleiter gewesen war.
    Er schloss das Tor hinter sich und schüttelte Eisgraupel aus der Kapuze. Niemand achtete auf ihn. Niemand bemerkte sein Eintreten. Es war wie immer.
    Pirmen blieb stehen, nahe bei der Tür. Noch fand er nicht den Mut, weiter in die Spelunke vorzudringen und sich dem Spott der Anwesenden auszusetzen. Erste Sondierungen konnte er auch von hier aus vornehmen.
    Der Raum war voll mit Menschen. Nahe dem Kamin erahnte Pirmen einen Hoboken, rings um ihn drängten sich Vertreter des Kleinen Volkes, deren Geschnatter ihm wie immer völlig inhaltslos erschien.
    Alles wirkte friedlich. Doch die Stimmung mochte jederzeit umschlagen, wie er aus leidvoller Erfahrung wusste. In den Dorfgasthöfen dieses hinterwäldlerischen Teils eines hinterwäldlerischen Landes wurde nur zu gern lange aufgestauten Emotionen Luft gemacht. Man forderte Konkurrenten zum Spiel heraus, man kämpfte, man verteidigte die eigene Ehre, die der Familie oder die des Clans.
    Man tötete.
    Ein Bulle von einem Mann stach ihm ins Auge. Der Riese stierte tumb vor sich hin, der Stimme seines kleineren Kumpels lauschend, lachte dann, als dieser seinen derben Witz zu Ende erzählt hatte, und schlug ihm so fest auf die Schulter, dass man meinen könnte, er wollte ihm alle Knochen im Leib brechen. »Fa-bel-haft!«, brüllte der Klotz. »Fa-bel-haft! Du echt witzig!«
    »Ich weiß, Harm, ich weiß! Wenn mich Loimans Schwester nicht verhext und eingefangen hätte, würde ich heutzutage umherreisen, frei von Weib und Kindern, und jedermann in der Norde mit meinen Späßen zum Lachen bringen. Man würde mich mit Gold überschütten. Ich könnte saufen und huren und sogar die Bader bezahlen, die mich von den verfluchten Filzläusen befreiten.«
    »Loimans Schwester gute Frau!«, sagte Harms plötzlich sehr ernst. Er runzelte die Stirn. »Loimans Schwester meine Kusine. Vielleicht.«
    »Ach, das weißt du doch gar nicht, Harm! Du kennst weder Mutter noch Vater.«
    »Stimmt. Aber Loimans Schwester gute Frau. Wie eine Kusine. Deshalb du sie nicht beleidigen. Verstanden, Boar?«
    Pirmen beobachtete, wie Boar mit sich rang. Wie er abschätzte, ob er eine Auseinandersetzung mit dem starken, aber völlig vertrottelten Kerl riskieren sollte, dessen grob vernähte Narben an Armen, Beinen und Hals von einer Vielzahl an Wirtshausprügeleien kündeten.
    »Schon gut, Harm, du hast recht«, sagte Boar schließlich versöhnlich. »Andkin ist mir eine gute Frau.«
    »Sag ich doch!« Harm setzte den Bierkrug an und tat einen tiefen Schluck, um dann grinsend zu fragen: »Sie gut ficken?«
    Pirmen hatte vorerst genug gehört. Er tat gut daran, so wenig wie möglich aufzufallen. Er würde sich mit seinen viel zu guten Manieren augenblicklich in den Mittelpunkt allen Interesses bringen und zum Ziel wüsten Spotts werden.
    Da musst du durch!, mahnte sich Pirmen. Du hast eine Aufgabe zu erfüllen. Für den Stummen Jungen.
    »Verzeihung«, sagte er. Er gab sich alle Mühe, den Dialekt der Oceanica zu verbergen. »Dürfte ich bitte vorbei?«
    Keine Reaktion, die beiden grobschlächtigen Männer bemerkten ihn nicht mal. Er wohnte eine Etage unterhalb ihrer Wahrnehmungsschwelle mit seinen etwas mehr als fünf Zoll Körpergröße und der leisen, sich manchmal überschlagenden Stimme.
    »Verzeihung!«, wiederholte Pirmen so laut wie möglich.
    Der Bulle sah sich erstaunt um, wie auch sein Kumpan in höheren Sphären suchend den Kopf umherdrehte.
    »Hier unten!«, schrie Pirmen und trat vorsichtig einen Schritt zurück.
    »Ein Halbzwerg!«, sagte Boar erstaunt. Er streckte eine Hand aus, legte sie Pirmen schwer auf den Kopf und

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