Der Gottbettler: Roman (German Edition)
zerstrubbelte ihm das Haar. Dabei entblößte er ein löchriges Gebiss. »Was willst du von uns? Ihr bleibt doch meist unter euresgleichen?«
»Genau«, bestätigte Harm.
»Außer wenn ihr Waren zu verkaufen habt. Sag schon, Kleiner: Was führst du mit dir? Schmiedestücke? Goldarbeiten? Geschirr?«
»Vielleicht Kusinen? Kusinen zum Ficken?« Harm lachte schmutzig.
»Ihr irrt euch, meine Herren, ich bin kein Mitglied des Kleinen Volkes.« Pirmen verbeugte sich tief. Auch um die Röte in seinem Gesicht zu verbergen. »Ich bin Pirmen Courtix, ein Magicus aus fernen Landen.«
»Für einen Halbzwerg lügst du unverschämt gut.« Boar ließ seine Hand auf Pirmens Schulter krachen. »Das mag ich. Sei mein Gast, Kleiner.« Er drehte sich zum Tresen um und brüllte über die Menschen hinweg, die sich davor versammelt hatten: »Ein Bier, Erns! Oder nein – ein halbes wird reichen!«
»Ich danke dir. Aber um ehrlich zu sein, wäre mir ein warmes Getränk lieber …«
»Er möchte das Bier warm, Erns!«
Mit einem Mal herrschte Stille. Jedermann wandte sich Pirmen zu. Mehr als drei Dutzend Menschen musterten ihn von oben bis unten. Auch der Hoboke erhob sich. Sein Kopf krachte gegen einen Querbalken, doch das kümmerte ihn nicht weiter. Manch ein Gast zeigte offenen Abscheu, einige schüttelten ungläubig den Kopf.
Pirmen nahm all seinen Mut zusammen und sagte, so laut er konnte: »Ich trinke kein warmes Bier …«
Ringsum atmete man erleichtert auf und seufzte. Der Frieden im Wirtshaus war gesichert …
»… ich wollte ein Glas heißer Milch bestellen.«
… und augenblicklich wieder infrage gestellt. Irgendwo rutschte ein Schwert aus der Scheide, Knochen knackten vor Anspannung, feindselige Blicke trafen Pirmen.
Er beglückwünschte sich zur Entscheidung, so nahe wie möglich bei der Tür geblieben zu sein. Er trat einige Schritte zurück und weiter darauf zu. So amüsant die Situation für einen unbeteiligten Beobachter wirken mochte, er schwebte in Lebensgefahr. Er hatte wieder mal seinen Mund nicht halten können.
»Ach, lasst ihn doch!«, sagte Erns, der Wirt, dem der stete Kummer mit seinen Gästen tiefe Falten ins Gesicht getrieben hatte. »Eilidh, geh die Kuh melken und bewirte unseren Neuankömmling.«
Es dauerte eine lange aufregende Weile, bis Pirmen wieder aus dem Fokus der Aufmerksamkeit geriet, und dies war wohl einem Bettler zu verdanken, der auf den Knien über den Boden rutschte. Beinahe hätte er einen der Stehenden zu Fall gebracht. Zum Dank erhielt er mehrere nachlässig geführte Hiebe gegen den Hinterkopf, begleitet von deftigen Flüchen. Man widmete sich dem armen Kerl, jagte ihn mit Tritten von einer Ecke zur nächsten und verlor indes das Interesse an Pirmen.
»Man kann Milch also tatsächlich trinken?«, fragte Boar. »Ich dachte, das wär ein Märchen.«
»Milch ist nahrhaft. Fett und Rahm tun mir gut, und die Wärme sowieso. Ich bin seit mehr als zwei Wochen unterwegs.«
»Woher du kommen?« Harm rülpste so laut, dass die Umherstehenden begeisterten Applaus spendeten.
»Zuletzt hatte ich mein Lager in Homstorph aufgeschlagen. Eine bezaubernde Ortschaft …«
»Wenn man ein stinkendes Schwein ist, ja«, unterbrach ihn Boar. »Ich an deiner Stelle würde den Namen dieses Nests nicht allzu laut erwähnen. Wir haben nicht unbedingt die besten Kontakte dorthin.«
»Weil wir Weiber haben entführt.« Harm lachte laut. »Und Ehemänner kastriert.«
O ja, dieses kleine Städtchen namens Byela befand sich tatsächlich am Ende der Welt. Dahinter ragten Wände aus Stein und Eis empor, die noch niemals bezwungen worden waren. In Byela lebten die hinterwäldlerischsten Hinterwäldler des Weltenkreises, in ihrem Gehabe Tieren nicht unähnlich.
Und ausgerechnet hier sollte Pirmen den Gesuchten finden? Unmöglich. Wahrscheinlich würde ein anderer Geselle, den der Magicus Larex auf die Suche geschickt hatte, mehr Glück haben.
Sieh ihnen tief in die Augen, hatte sein Meister gesagt, und du wirst deinen Mann finden.
Eine dralle, vor ihrer Zeit gealterte Frau zwängte sich zwischen die Umherstehenden und kam auf Pirmen zu, mit einem Krug in der Hand. Sie ignorierte die Schläge aufs Hinterteil mit der Erfahrung vieler Jahre. »Da hast du, kleiner Herr«, sagte die Frau namens Eilidh. Ihr Busen, vom freizügig geschnittenen Kleid kaum gebändigt, wogte unmittelbar vor Pirmens Augen. »Lass es dir schmecken.«
»Danke.« Er streifte Schmutz vom Holzkrug, der wohl noch aus dem Stall
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