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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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oder des Zorns aus. Sie wollte das Gleichgewicht wahren, ruderte mit den Händen und vergaß dabei, ihre Waffen einzusetzen. Sie hätte bloß den Sturz auf den Rücken in Kauf nehmen und ihm dabei in aller Gemütsruhe beide Klingen in die Seiten rammen müssen, doch sie verzichtete darauf. Pae Lorianders Reflexe waren ausgezeichnet, ihre Kampfführung exzellent. Doch es mangelte ihr noch ein wenig an Erfahrung, an Intuition.
    Er umfasste ihre Arme, presste sie an den Körper ihres Leibes und schob sie weiter vor sich her. Wie ein eng umschlungenes Liebespaar tanzten sie über das Schlachtfeld, beide tunlichst darauf bedacht, das Gleichgewicht zu wahren.
    Sie fluchte und spuckte. Herr Attamay umarmte sie noch fester, sodass sich seine beiden Hände auf ihrem Rücken fanden. Er presste ihr die Luft aus dem Leib, ignorierte ihre Tritte, die Kopfstöße, die Bisse, all die Pein, die sie ihm zufügte. Wichtig war einzig, alles Leben aus diesem verfluchten Weib zu pressen, sie zu töten. Es änderte nichts am Ausgang der Schlacht. Er würde sterben, seine Familie ebenso und das Dorf dem Erdboden gleichgemacht werden. Doch die Kämpfer der gegnerischen Heerscharen würden begreifen, dass sie keinesfalls unbesiegbar waren und auch sie von den Händen eines Menschen gerichtet werden konnten.
    Der Körper der Linken erschlaffte. Sie war mit einem Mal nur noch Masse, die Herrn Attamay zu Boden zog. Und nun war er es, der zögerte, der das Falsche tat: Er lockerte den Griff, ein ganz klein wenig – und gab seiner Gegnerin die Gelegenheit, sich den dringend benötigten Freiraum zu verschaffen. Die Linke atmete tief durch und riss ihn mit sich, hinab auf die blutdurchtränkte Erde. Im letzten Augenblick drehte sie sich beiseite und sorgte dafür, dass sie seitlich nebeneinander zum Liegen kamen, heftig atmend und noch heftiger um ihr Leben ringend.
    Herr Attamay ließ los. Es blieb ihm nichts anderes übrig. Er fühlte sich mit einem Mal so unendlich schwach … Er blickte an seinem Körper hinab und erkannte, warum ihn die Kräfte verließen. Hatte Pae Loriander bewusst das Richtige getan, oder war es Zufall gewesen? Sie hatte sich unmittelbar neben einem Toten fallen lassen. Neben Herrn Attamays Schmiedegesellen. Dessen Messer stak nun in seinem Magen. Dunkles Blut quoll aus der Wunde.
    Er wollte sich an der Linken festkrallen und sie daran hindern aufzustehen. Die Kriegerin durfte nicht weg von hier, sie durfte keine Befehle erteilen … Seine Arme fielen hilflos an den Seiten hinab.
    Tier Bulbar lag unmittelbar neben ihm, mehrere Pfeile ragten wie zu lange Stacheln unter der verschwitzten Mähne hervor.
    Die Linke richtete sich mit einer eleganten Bewegung auf, die ihm trotz seines Zustands Bewunderung abrang.
    »Gnade … für meine Familie«, flüsterte Herr Attamay. »Lasst sie gehen. Kinder … Frauen … Sie haben nichts mit … alldem hier zu tun.«
    »Du irrst, Kämpfer.« Die Linke ordnete ihr Gewand, ohne ihn eines Blicks zu würdigen. »Es geht nicht um dich, nicht um dieses Dorf, ums Land oder um dieses stinkende kleine Königreich. Es geht um ein Kind. Um ein einziges Balg.« Pae Loriander lachte. »Vielleicht warst ja du es, der es in die Welt gesetzt hat. Vielleicht bist du der Vater jenes letzten Hoffnungsschimmers in einer Welt, dem das Licht ausgeht, das wir nun endgültig zum Erlöschen bringen werden.«
    »Bitte …« Alles tat so schrecklich weh, und je mehr es schmerzte, desto unwichtiger wurden die Dinge rings um ihn.
    »Du hast gut gekämpft. Ich danke dir dafür. Ich gewähre dir einen Tod in Ehre, obwohl die Parveniden gern über dich herfallen würden. Aber ich kann deine Familie nicht schützen. Sie gehört dem Gottbettler.«
    Füße, die zu Soldaten gehörten, zogen in seltsamer Stille an Herrn Attamay vorbei. Der Feind rückte vor. Er würde das Dorf einnehmen. Welches Dorf? Spielte das noch eine Rolle? Er war so schrecklich müde …
    »Bitte«, flehte er ein weiteres, ein letztes Mal.
    »Wir sehen uns wieder. Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort. Wenn dir dann danach ist, mich für meine Taten zur Verantwortung zu ziehen, stehe ich dir zur Verfügung. Doch für heute lassen wir’s gut sein.« Die Linke beugte sich zu ihm herab. Das blasse und lieblich wirkende Frauengesicht erschien ihm verschwommen, die Haare glänzten golden. Eine Art dunkles Feuer umgab Pae Loriander. »Ich danke dir für diesen Kampf, Krieger.«
    Sie küsste ihn sanft. Ihre Lippen brannten. Sie waren das

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