Der Gottbettler: Roman (German Edition)
mich belogen! Dieses miese Stück, diese alte Hurenmöse …«
Pae Loriander gebrauchte Schimpfworte, wie Rudynar Pole sie noch nie vernommen hatte – und er kannte Kraftausdrücke aus mehr als einem Dutzend Ländern. Die Linke wollte gar nicht mehr aufhören, während sie mit dem Fuß aufstapfte, verzweifelt die Blutung zu stillen versuchte und nicht mehr auf ihn achtete. Ihre Leute wichen vor Pae Loriander zurück, erschrocken, fast panisch.
Ein Hieb, und alles wäre erledigt. Ich könnte ihr den Kopf vom Rumpf trennen, einfach so … Doch er tat es nicht. Es fühlte sich falsch an. Es entsprach nicht dem, was er sein wollte, nachdem er beschlossen hatte, sich Pirmen anzuschließen.
Er lief zum Kleinen, packte und schüttelte ihn an den Schultern. »Wo finden wir diesen Larex? Und wo den Stummen Jungen? Rasch!«
Pirmen starrte ihn voll Unverständnis an. Begriff er denn nicht, worum es ging? Er musste doch die Chance erkennen, die sich ihnen bot, nun, da sich Pae Loriander in Selbstmitleid erging und die restlichen Söldner offenbar von der Situation überfordert waren. Die unbesiegte Kriegerin, der sie bedenkenlos ins Reich der Dämonen gefolgt wären, war vor ihren Augen zu einem verwundbaren, laut greinenden Weib geworden.
»Rede schon! Wo hält sich Larex auf?« Rudynar Pole schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.
Pirmen reagierte mit diesem hasserfüllten Blick, der gegen den gesamten Weltenkreis gerichtet war und den Rudynar Pole mittlerweile zur Genüge kannte, dann stieß er hervor: »In seinem Turm.« Er deutete auf das Rund rechts von ihnen, ungefähr halb so hoch wie alle anderen Bauwerke im Inneren der Magicae-Enklave auf Griam, dessen Stein verwittert und baufällig wirkte.
Rudynar Pole packte Pirmen, hob ihn sich auf die Schulter und lief davon, darauf hoffend, dass sich der Kleine irgendwie festhalten würde. Ein Soldat des Gottbettlers stellte sich ihm in den Weg, doch er war kein würdiger Gegner. Rudynar Pole schlug ihm die Waffe aus der Hand und verpasste ihm einen Faustschlag gegen die Schläfe. Der Mann fiel zu Boden, doch Rudynar Pole kümmerte sich bereits nicht mehr um ihn. Wichtig war die Tür vor ihm, hölzern, mit verrosteten Beschlägen und von Würmern zerfressen. Zwei Magicae-Novizen standen davor, auch sie völlig überfordert von den Geschehnissen. Rudynar Pole hatte keine Zeit für lange Diskussionen und rammte die beiden blassen Burschen einfach aus dem Weg, und als sich die Tür nicht öffnen ließ, trat er sie mit drei wuchtigen Tritten ein.
Pae Loriander fand zu sich selbst zurück, und aus ihrem Wimmern wurden wieder herrische Kommandos. Rudynar Pole zog den Kopf zwischen die Schultern. Er meinte zu spüren, wie Armbrüste gespannt wurden, wie man die Waffen auf ihn ausrichtete.
Er musste kichern, als er daran dachte, dass er einen lebenden Schutzschild auf seiner Schulter trug. Die Pfeile und Bolzen würden Pirmen viel eher treffen als ihn.
Er stolperte durch die eingetretene Tür ins Dunkel, an das sich seine Augen erst noch gewöhnen mussten. Ein Pfeil sirrte dicht an ihm vorbei und prallte gegen Stein. Da war ein Kasten, ein Riesending von einem Möbel, kunstvoll verziert und mit Silberbeschlägen, die ein kleines Vermögen wert sein mussten. Rudynar Pole umfasste es, spannte die Muskeln an und schob es zur zerstörten Tür, klemmte es zwischen die Steine des schmalen Eingangs. Doch das Möbel würde die sieben verbliebenen Soldaten des Gottbettlers nur kurze Zeit aufhalten.
Auf einem Tisch waren Gläser aufgereiht, die teils in hölzernen Halterungen steckten und durch ebenfalls gläserne Röhrchen miteinander verbunden waren. In ihnen befanden sich grellbunte Flüssigkeiten, von denen einige blubberten und dampften. Eine Versuchsanordnung von Pirmens Meister Larex, wie es schien. Oder Larex stellte auf diese Weise irgendeine magische Substanz her. Rudynar Pole kannte sich mit so etwas nicht aus.
»Nimm dieses Glas dort! Und das mit der blauen Flüssigkeit! Und das dort!«, wies Pirmen seinen Träger an. »Stell sie nebeneinander vor die Tür, damit die Soldaten darüber stolpern, wenn sie eindringen, und die Flüssigkeiten sich vermischen.«
Rudynar Pole tat, wie ihm geheißen, dann lief er auf die Treppe zu und wollte die Stufen nach oben hetzen. »Nach unten, du hirnloser Säufer!«, keifte ihm Pirmen ins Ohr.
»Aber …«
»Larex’ Turm reicht wesentlich weiter in die Tiefe als nach oben! Er steht schon so lange in Griam, dass das Niveau der
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