Der Gottbettler: Roman (German Edition)
Er musste sich setzen und dann eine ernsthafte Unterhaltung mit diesem Kerl führen, der sich langsam aus den Schatten löste und sich ihm näherte. Sollte er ihn ruhig mit sich nehmen. Rudynar Pole hatte keinerlei Einwände mehr dagegen. Aber warum beeilte sich der Große Gleichmacher nicht? Warum tat das Sterben bloß so unglaublich weh?
»Jetzt verstehe ich.« Larex lachte. Er legte den Kopf weit in den Nacken, kicherte und lachte noch mehr, wobei sein ganzer Körper bebte. Wenn er so weitermachte, dachte Rudynar Pole, würde der Große Gleichmacher zwei Opfer mit in sein dunkles Reich nehmen. »Es stand alles so klar und deutlich vor uns – und dennoch haben wir es allesamt übersehen. Der Mann mit den Goldenen Augen …«
»Darf ich mitlachen?«
Rudynar Pole drehte sich um. Pae Loriander stand in der Mitte des Raums, zwei leicht verletzte Soldaten flankierten sie. Einer hielt seine Armbrust auf Rudynar Poles Brust gerichtet.
»Ist das nicht ein nettes Zusammentreffen? Der Meister und sein Lehrling. Der Goldene. Und der Stumme Junge ist gewiss auch nicht weit.« Pae Loriander zog einen Stofffetzen über ihrem nutzlos gewordenen Arm fester und nahm ihre Waffe dann in die unverletzte Schwerthand. Sie zeichnete Schlagschlaufen in die Luft, als wollte sie demonstrieren, dass der Augenblick, da sie die Beherrschung und ihre Selbstsicherheit verloren hatte, der Vergangenheit angehörte. Pae Loriander war wieder ganz Herrin der Lage. »Ich habe einen Auftrag zu erfüllen, und ich werde ihn erfüllen. Der Stumme Junge muss leben, den Goldenen kann ich Metcairn Nife auch als zerstückelten Kadaver vor die Füße werfen.«
»Hat er das so gesagt, Frau Loriander?«, fragte Rudynar Pole. Seltsam, nun, da es endgültig mit ihm zu Ende ging, war sein Gehör wieder da.
»Du kennst doch deinen Freund. Er ist viel zu sehr nobler Herr, als dass er einen derartigen Befehl geben würde. Er würde aber auch nichts sagen, wenn ich ihm einen großen Haufen stinkenden Fleischs übergebe. Wichtig ist bloß, dass die Augen zu erkennen sind, ihr goldenes Funkeln.«
»Ich werde es nicht dulden, dass hier unten gekämpft wird!«, donnerte Larex mit einer Stimme, die tief aus seinem Leib drang und einen Hauch der ihm innewohnenden Macht erkennen ließ. »Ihr werdet eure Händel gefälligst an einem anderen Ort austragen!«
»Du hast hier gar nichts zu bestimmen, Magicus.« Pae Loriander grinste. »Das Recht dazu hast du längst verwirkt. Damals, als du dich dem Gottbettler verkauft hast.«
Rudynar Pole spürte, wie Pirmens Körper auf seinem Rücken versteifte. Wie er um Atem rang, etwas sagen wollte, sich dabei verschluckte und zu husten begann.
Er würde für den Kleinen sprechen. Er war in einer Welt aus Verrat und Intrigen und miteinander und ineinander verfilztem Gebaren aufgewachsen. Er verstand noch längst nicht, was hier geschah, doch dies war ein Terrain, auf dem er zu Hause war.
»Sieh mal einer an«, sagte er. »Der ach so ehrenwerte Magicus Larex stellte sich also den Leuten des Gottbettlers als Verräter zur Verfügung. Ist der Preis, der auf meinen Kopf ausgesetzt wurde, wenigstens hoch genug, um mehrere Tote zu rechtfertigen?«
»Der Tod ist eine völlig überschätzte Angelegenheit«, meinte der alte Mann. »Ich weiß es. Ich bin ihm bereits mehrmals begegnet und war auch schon in seinem Reich zu Gast.«
»Du hast also das Sterben anderer einkalkuliert. Belastet das denn nicht dein Gewissen, Herr Larex? Oh, verzeih mir. Ich vergaß. Man lehrt einen Magicus, sein Gewissen so rasch wie möglich abzulegen, richtig?«
»Genau deshalb ist Pirmen stets ein schlechter Zögling gewesen. Er trägt immer noch seltsame und belastende Ansichten in sich«, entgegnete Larex gelassen. »Hoffentlich ändert sich das bald, nun, da er seine Wund-Initiation erhalten hat und sich nicht mehr um seine Körperlichkeit kümmern muss.«
»Du mieses altes Dreckschwein«, murmelte der Kleine an Rudynar Poles Ohr. »Du hast mich betrogen, hast mich um mein Leben gebracht. Hast mich für deine Zwecke eingespannt und …«
»Aber, aber … Wer wird denn gleich persönlich werden?« Larex löste die Hände vom Schiebewagen und richtete sich auf. Ein Ruck ging durch seinen Leib, er wirkte mit einem Mal um einen Kopf größer, und seine Präsenz war die eines Titanen. »Letztlich hast du deine Sache gut gemacht, Pirmen. Du hast den Goldenen hierhergebracht, und wir übergeben ihn nun im Paket mit dem Stummen Jungen. Das wird das
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