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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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sich seinen Kumpanen zu und lachte laut. »Ich haben versprochen, Boar?«
    »Ich hab nichts gehört. Ich war mit Nasenbohren beschäftigt.«
    »Bitte! Beweist, dass ihr feine und ehrliche Leute seid. Das seid ihr doch, oder? Feine Leute. Hohe Herren. Tapfere und starke Leute, die einen wie mich sicherlich nicht betrügen wollen.«
    »Hast du gehört, Harm? Der Hohe Herr wirft uns vor, dass wir ihn betrügen wollen!«
    »Hoher Herr uns beleidigen!« Der stiernackige Kämpe tastete nach dem Dolch in seinem Gurt, zog ihn hervor und schwang ihn in Schleifen vor dem Gesicht des Bettlers hin und her. »Harm mag keine Beleidiger!«
    Hoher Herr? Warum gaben ihm die beiden Saufkumpane eine Bezeichnung, die in den Wäldern der Norde bloß kampferfahrenen und ruhmreichen Kriegern zustand?
    »Gebt ihm gefälligst seinen Lohn!«, mischte sich Erns ein, ohne die beiden angesoffenen Tunichtgute eines Blickes zu würdigen. Doch er hielt mit einem Mal ein schartiges Fleischermesser in seiner Rechten und ließ es wie beiläufig auf den Tresen hinabsausen, um ein Stück Fleisch zu teilen.
    »Ist schon gut, Erns.« Boar schüttelte den Kopf. »Du bist ein Spielverderber.« Er schnippte die Münze in Richtung des Bettlers und drehte sich dann wieder seinem Kumpanen zu, um die Unterhaltung fortzusetzen.
    Es gibt also zumindest eine gute Seele in dieser üblen Spelunke, dachte Pirmen. Ein Gefühl der Wärme machte sich in ihm breit. Erns, der Wirt, hatte Mitleid gezeigt und eingegriffen, bevor der Bettler weiter gedemütigt worden wäre. Das Licht der Barmherzigkeit leuchtet dort besonders hell, wo man es am allerwenigsten erwartet …
    Der Bettler folgte der achtlos weggeschnippten Münze auf allen vieren, wie ein Hund, der einem Stock hinterhereilte. Er fischte sie aus einem dunklen Winkel in der Nähe des Latrinenausgangs und reinigte sie vom Schmutz. Misstrauisch biss er in den Rand des Silberstücks – und lächelte verzückt, nachdem er sich seiner Echtheit vergewissert hatte. Triumphierend hielt er das Geldstück hoch. Wie einen wertvollen Preis, den er im edlen Zweikampf errungen hatte.
    Ruckartig kam er hoch, plötzlich blass geworden, riss die Latrinentür auf und humpelte ins Freie, um dort geräuschvoll zu erbrechen, sehr zum Gaudium der verbliebenen Gäste. Boar und Harm stützten ihre wankenden Körper gegeneinander und wollten sich kaum noch einkriegen vor Lachen.
    Was für eine Welt! Was für eine Zeit! Waren Hohn und Spott denn alles, was man für einen erbarmungswürdigen Säufer am Ende seines bedauernswerten Lebens noch übrig hatte? Pirmen ballte die Hände zu Fäusten. Am liebsten wäre er aufgestanden, um den beiden Barbaren seine Meinung sagen. Er würde ihnen ein klein wenig Weisheit in die alkoholbenebelten Holzköpfe prügeln und ihnen begreiflich machen, dass sie mit ihren Untaten Leuten wie dem Gottbettler und seinen Schergen Vorschub leisteten.
    Doch er ließ es bleiben. Wie immer. Er war klein. Schwach. Ungeschickt im Kampf. Was sollte er gegen zwei Kerle ausrichten, deren Geschäft der Kampf war und die gewiss das Doppelte an Gewicht auf die Waage brachten?
    Manchmal bedauerte Pirmen seine körperlichen Mängel. Niemand außerhalb der Mauern der Magischen Türme im Oceanicum Griam gab etwas auf ihn. Selbst in diesen Stätten der Kunst und der Gelehrtheit, in denen die wundersamsten Dinge ihren Anfang nahmen und in denen man Respekt sowie Toleranz predigte, selbst dort wurde er aufgrund seiner Kleinwüchsigkeit nicht immer für voll genommen.
    Blicke trafen ihn. Pirmen fühlte sie. Er hatte seine Deckung aufgegeben, hatte sich aus der Konzentration reißen lassen.
    Er durfte keine weitere Aufmerksamkeit erregen. Man erinnerte sich nun seiner, seiner ungewohnten und fremden Gestalt, und betrachtete ihn als Beute, der man nachstellen konnte, sobald er den sicheren Hort des Störrischen Ochsens verließ. Drei wild dreinblickende Gesellen tuschelten bereits miteinander. Sie deuteten in seine Richtung, so auffällig unauffällig, wie es betrunkene Menschen nun mal tun. Einer von ihnen tastete in eine weit ausgebeulte Hosentasche. Er holte einen Totschläger hervor, wog ihn nachdenklich in der Hand und verbarg ihn dann wieder.
    Pirmen schluckte. Er musste sich konzentrieren – rasch! – und seine ganz besondere Gabe neuerlich aktivieren.
    Er setzte eine verschlossene Miene auf und lehnte sich zurück. Sein Obergewand, das dank des munter vor sich hin prasselnden Feuers endlich die gewohnte Geschmeidigkeit

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