Der Gottbettler: Roman (German Edition)
du dein Nachtlager aufgeschlagen hast. Deinem Geruch nach handelt es sich um den Abfluss des Schweinestalls.«
Boar und Harm lachten, aneinandergeklammert wie ein Liebespaar. Sie amüsierten sich köstlich auf Kosten des Säufers, während auch der Wirt immer mehr Spaß daran zu finden schien, ihn zu demütigen. Schadenfreude und womöglich auch Hass spiegelten sich in seinen Augen.
Der Mann zog sich einen Schritt zurück, dann noch einen. Für einen Moment sah es so aus, als wollte er gegen die Behandlung protestieren. Doch er ließ es. Ließ die Schulter nach vorn fallen und torkelte auf die Tür zu. Schwer atmend und hustend, mit hochrotem Kopf, so als würde er beim nächsten Herzschlag tot umfallen. Doch er schaffte es irgendwie, auf den Beinen zu bleiben und die Tür zu öffnen, um sich dann in die Kälte hinauszutasten. Mittlerweile hatte heftiges Schneetreiben eingesetzt. Der Hohe Herr stemmte sich gegen eine Windbö – und wurde dennoch wie ein Blatt zur Seite geweht, hin zur Breitseite des steinernen Gebäudes. Ein Fluch erklang, dann ein dumpfes Geräusch. Schließlich herrschte Stille.
Erns umrundete den Tresen, fluchte ausgiebig und schloss die Tür, ohne einen Blick nach draußen zu werfen und sich für das weitere Schicksal des Betrunkenen zu interessieren. Er sagte etwas in seinem grässlichen Norde-Dialekt, und Boar und Harm lachten. Sie stürzten weiteren Wein in sich hinein, gierig, als gäbe es kein Morgen.
Und vielleicht ist es auch so, dachte Pirmen, der sich plötzlich wieder an den Grund seines Hierseins erinnerte. Das Graue greift um sich. Es packt jedermann ein, macht ihn müde und abgestumpft gegenüber den anderen. Das Graue macht sie zu lebenden Toten. Die Heere des Gottbettlers erobern jene wenigen Flecken Erde der sogenannten zivilisierten Welt, die sich gegen seinen Einfluss wehren. Er nahm einen letzten Schluck von der Milch. Nur wenige Wesen könnten dem Schrecklichen noch Einhalt bieten. Und ausgerechnet ich wurde auserkoren, nach einem dieser wenigen zu suchen …
Pirmen erhob sich leise von seinem Platz, sorgfältig darauf bedacht, nur ja keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er zählte einige Kupfermünzen auf den Tisch und verließ den Störrischen Ochsen. Hinter ihm, so ahnte er, würde man verwundert auf die Tür blicken, die sich wie von Geisterhand öffnete und gleich darauf wieder schloss.
Der Stall befand sich rechts von ihm. Das aufgeregte Grunzen der Schweine und der Gestank wiesen ihm den Weg im immer heftiger werdenden Schneetreiben.
Pirmen zögerte. Er blinzelte gegen den Wind an und suchte nach Spuren des Mannes, den sie mit »Hoher Herr« angesprochen hatten. Doch er war nirgends zu entdecken. Eine zentimeterdicke Schicht aus Weiß hatte sich über alle Spuren gelegt. Der Säufer musste sich bereits davongemacht und verkrochen haben.
Pirmen fröstelte. Bei derartigen Temperaturen war es nahezu unmöglich, die Nacht draußen zu überleben. Hätte er eingreifen und sich für den Säufer einsetzen sollen?
Pirmen schüttelte den Kopf. Diesem Kerl war ohnedies nicht mehr zu helfen. Er sah die Welt nur noch aus der Position des Kriechenden, benebelt und zerstört vom Alkohol, weit weg von allem Menschlichen.
Pirmen folgte dem ängstlichen Gegrunze der Tiere und stapfte zwischen dornigem Gebüsch in Richtung Stallungen. Immer wieder rutschte er weg, immer wieder drückte ihn der Sturmwind gegen das Gestrüpp. Im Offenstall, der an das Wirtshaus grenzte, erahnte er Stellex, seine Stute. Die Pferde drückten sich eng gegeneinander. Sie erduldeten den Sturm mit jenem Gleichmut, den sich alles Lebende in diesen Breiten angewöhnen musste, wollte es überleben.
Pirmen ertastete jenen Haken, der die Stalltür fixierte, und öffnete ihn mit klammen Fingern. Der Gestank im Inneren raubte ihm fast den Atem, doch es war angenehm warm, und ein freundliches Licht flackerte dort, wo ihm Eilidh seine Liegestatt bereitet hatte. Er schloss das Tor hinter sich rasch und huschte bibbernd in Richtung des Lichts, vorbei an großen und kleinen Schatten, vorbei an all dem Nutzvieh, das dem Wirt und seiner Gefolgschaft ein für diese Gegend ausgezeichnetes Auskommen bescherte. Das – und all die Menschen, die von weither kommen, um gegen ihren Hass auf dieses schreckliche Land anzutrinken.
Ein Tier erleichterte sich gleichmütig. Kot platschte zu Boden, ein Urinstrahl spritzte sekundenlang gegen nackten Boden. Pirmen machte, dass er in sein Lager gelangte, das ihm in dieser
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